© Günter Hack, Social Networks

EU-Innenminister starten Social Network

ENTERTAINMENT
01.04.2010

Die Innenminister der Europäischen Union wollen ein eigenes Social Network nach dem Vorbild von Facebook und MySpace starten. Der Zulauf auf die Testversion des Systems ist enorm, die Betreiber zeigen sich von der Offenheit der User begeistert.

"Wir wollen eine sichere europäische Alternative zu US-Produkten wie Facebook oder MySpace bieten", sagt der französische geheime Staatssekretär Philippe de Vichy anlässlich einer Pressekonferenz am Donnerstag in Brüssel. Das System soll, der Tradition fortschrittlicher französischer Internet-Initiativen wie HADOPI und LOPPSI folgend, unter der knappen Bezeichnung Futur Logiciel Autonome Utilitaire et Social pour la Connection des Humanoides International (FLAUSCHI) laufen. Wer sich dort anmeldet, wird automatisch FLAUSCHI-Friend.

"Wir haben schon 20 Millionen begeisterte Testuser, die sich an unseren Registrierungsstellen mit ihren Fingerabdrücken und DNA-Profilen angemeldet haben", so De Vichy. "Das geht problemlos an jeder Polizeidienststelle. Danach können sie an unseren beliebten Social Games wie 'Erbkrankheit' oder 'Du bist Sherlock' mitspielen." "Erbkrankheit" ist in der Tat lustiger, als der Titel vermuten lässt. Das vom französischen Multikonzern Morituri-Universel programmierte Game hat vollen Zugriff auf die DNA-Datenbank und zeigt den Spielern nicht nur an, mit welchen ihrer Freunde und Kinder sie tatsächlich blutsverwandt sind, sondern es bietet auch fette Boni für User, die an Sonderspielen teilnehmen.

Kleine Spielchen

So bekommen FLAUSCHI-Friends, die in kleinen Geschicklichkeitsgames am schnellsten ihre Profile in die externe DNA-Datenbank der privaten Krankenversicherer hochladen, ein Speichelchecker-Set gratis. "Damit können sie gleich ihre Nachbarn abchecken und mitspielen lassen", sagt Herbert Malthus von der E-Health-Beratungsfirma Triage.inc. "Dank des Spiels konnten wir schon einigen Versicherten kleine Prämienüberraschungen zukommen lassen." Um auch die Kleinsten zum Mitspielen zu ermutigen, kommt Bert, der bewährte Biometrie-Bär, wieder zum Einsatz. Das beliebte Maskottchen der Biometriepass-Initiative für Kleinkinder bekommt aber Verstärkung von Kuno, dem kybernetischen Kaninchen. "Kaninchen sind soziale Tiere", erkärt EU-Maskottchenbeauftragte Avril Primero. "Und sie machen immer lange Löffel, damit sie wissen, was abgeht."

Die Fähigkeiten zur Verarbeitung von Fingerabdruck- und DNA-Daten hat FLAUSCHI von seiner Vorgängerplattform, dem Schengen-Informationssystem SIS II, geerbt. "SIS II kam lange nicht in die Gänge", gibt De Vichys Partner zu, der deutsche Staatssicherheitssekretär ohne Portefeuille, Rainer Marcus Wolff. "Dann noch der Flop mit der Vorratsdatenspeicherung. Es gab auch überall diese Bürgerrechtler, die sich wegen der totalen Überwachung aufregen und so weiter, die Leute haben sich einfach geziert und unzusammenhängend von Phantomen wie 'Big Brother' oder 'Grundgesetz' gefaselt. Seit es FLAUSCHI gibt, laden sie die intimsten Daten ganz von selbst hoch. Wann sie essen, wann sie verdauen, wann sie wo mit wem schlafen und wie. Diese offene Gesellschaft ist einfach großartig! Jeder ist sein eigener Inoffizieller Mitarbeiter! Wir erleben den Einstieg in die Open-Source-Gesellschaft!"

Data-Retention

Die Speicherfrist für Kommunikationsverbindungs- und Handystandortdaten - denn auch die werden in FLAUSCHI automatisch erfasst und eingetragen, damit die User immer wissen, wo ihre Friends gerade sind - beträgt 500 Millionen Jahre. "Wir haben die Frist freiwillig auf die wissenschaftlich prognostizierte Restdauer des Lebens auf der Erde begrenzt", so FLAUSCHI-Datenschutzbeauftragter Peter Metzger. "Danach werden sie im Rahmen des 'Voyager'-Programms auf ihrem Speichersatelliten aus dem Erdorbit geschossen, auf dass sie extraterrestrischen Fahndern noch in alle Ewigkeit ihre Arbeit erleichtern mögen. Excelsior!"

Die europäischen Strafverfolger haben natürlich ein Auge darauf, was auf FLAUSCHI passiert. "Letzte Woche haben wir eine Zelle der niederrheinischen Terrorgruppe 'Karl Kaida' auffliegen lassen", weiß Wolff zu berichten. "Die Jungs haben sich in der von unseren Informanten gegründeten Game-Gruppe 'Mullahville' getroffen und dort Rezepte für Kräutertee und Düngemittelbomben ausgetauscht. Als sie dann im Forum darüber schrieben, dass sie am Halal-Buffet 'mal wieder so richtig zuschlagen' wollten, waren unsere Kollegen gleich zur Stelle."

Pech mit HADOPI

Sorgen bereiten den FLAUSCHI-Teams in den Innenministerien dagegen die Netzsperrpläne, die von zahlreichen europäischen Regierungen nach dem Vorbild der chinesischen "Great Firewall" verfolgt werden. "Wir hatten bereits das Beziehungsnetzwerk einer Gruppe analysiert, die den Eiffelturm sprengen wollte, sogar ihren Krypto-Schlüssel hatten wir geknackt", lamentiert De Vichy. "Bis einer dieser Typen auf die Idee kam, einen illegalen Britney-Spears-Song runterzuladen und die HADOPI seine ganze Stadt vom Netz abgeknipst hat!" Der Architekturwettbewerb für den Krater auf dem Champ de Mars wird übrigens auch auf FLAUSCHI ausgetragen.

Zumindest in Frankreich könnten sich diese Probleme aber bald wieder erledigt haben, wie man in eingeweihten diplomatischen Kreisen der französischen Hauptstadt mauschelt. Die mutmaßliche Ehekrise im Haus von Präsident Nicolas Sarkozy führte offenbar dazu, dass dieser seine Einstellung gegenüber der Musikindustrie radikal geändert hat. So seien in einer Pariser Großdruckerei bereits Plakate mit dem neuen Logo und dem geänderten Namen seiner Partei aufgetaucht - die UMP soll fortan UMPnP heißen. Angeblich ist zum 1. April auch die Abspaltung einer radikaleren Gruppe unter dem Namen Rassemblement des Pirates Republicains (RPR) geplant. Filesharing soll in Frankreich zur heiligen Pflicht werden, berichten Insider. Beamte, die nicht mindestens zehn Alben und fünf Hollywood-Filme im Monat aus P2P-Netzen ziehen, sollen nicht mehr befördert werden und auch keine FLAUSCHI-Bonuspunkte mehr bekommen.

Im nächsten Schritt soll FLAUSCHI auf die USA ausgeweitet werden und den Hauptkonkurrenten Facebook sanft, aber bestimmt umarmen. "Das sollte aber kein Problem sein", gibt sich De Vichy siegessicher. "Wir wissen, wo Herrn Zuckerbergs Villa steht."

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(futurezone/Günter Hack)