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Das Internet - ein stilles Örtchen

NETZTEILE
13.03.2010

Ginge es nach diversen Branchengurus, müsste uns die Werbung auf dem Smartphone mittlerweile auf Schritt und Tritt verfolgen. Doch leider heben die ortsbasierten Dienste derzeit noch nicht so stark ab wie eigentlich gedacht. Dabei kann das Prinzip der Location-based Services durchaus Spaß machen.

Also, ich finde ja die Meldung über den Fehlschlag von ortsgebundener Werbung schön und nachvollziehbar. Wer will auch schon in einer Karte einen Pin auf seinem Hinterhofkomposter mit Vermerk auf dessen sommerliche Ausdünstungen haben. Die meisten Nutzer sagen scheinbar: Geh weg, lass mich ungepinnt. Ich brauche keinen Hinweis auf das nächste Autohaus, wenn ich einfach nur den Weg zum Bahnhof suche.

Und wir haben eh keine Ahnung, wieso man ausgerechnet auf Google Maps nach - sagen wir mal - einer Klopapiermarke suchen sollte. Oder soll man die dazugehörige Werbung vielleicht dann eingeblendet bekommen, wenn man mal wieder nach einer Adresse in - sagen wir mal - Darmstadt sucht?

Eben. Bitte keine intelligenten Anwendungen. Uns reichen schon die blöden.

Da kann es also noch so schöne Location-based Services für Handys geben, es hilft nichts. Das interessiert uns nicht einmal, wenn uns passend zum Standort wichtige globale Ereignisse wie, sagen wir, das Wetter auf den Hörknochen gebeamt werden. Da können wir hinschauen, dann hochblicken und dann sagen: "Geh, schau her, das mit der Sonne stimmt." Schön. Aber ich würde nur sehr ungern Botschaften wie diese auf dem Display lesen: "Taglinger, Sie sehen schlecht aus. Wollen Sie nicht nach einem Herrenausstatter googeln? Nach einem Schönheitschirurgen?" Will ich nicht. Nein.

Aber der Spaß mit digitalen Medien fängt doch gerade erst an. Zum Beispiel hat Google nun beschlossen, ein Service live zu stellen, das es ermöglicht, als Nutzer Anmerkungen in Street View anzubringen. Das hat dann irgendwie auch mit Werbung zu tun. Vielleicht nicht mit der, die man in einem Radio hören oder in einem Fernseher sehen könnte. Aber so ähnlich.

Ich werde einen Heidenspaß haben, dem Haus meiner ewig zu lauten Nachbarn eine Werbeanzeige unterzujubeln, die sie als stadtbekannte Pferdeabdecker outet. Und hoffentlich finden sich dann endlich auch Einträge über die Bäckerei schräg gegenüber im Tool, in denen das Unternehmen wegen seiner anerkannt unerträglichen Rosinensemmeln gelobt wird.

Die ganze Stadt kann mit ein bisschen Fleißarbeit in eine Ansammlung von Freizeitfriseuren und Obstverwertungen verwandelt werden. Außerdem gibt es dann endlich alternative Hippie-Shops auf der Kärntner Straße, Designer-Flagship-Stores auf der Favoritner und einen florierenden Organhandel im Prater. Freilich nur virtuell, aber das reicht ja heute schon.

Und wem das noch nicht ehrbar oder gar sinnvoll genug erscheint, dem kann ich ja immerhin noch die zweite Lieblingsidee antragen, die schon ein wenig näher an der klassischen Werbung liegt: Einfach einen kleinen Sender an das eigene Fahrrad geklebt und die Site Where is my bike aufrufen.

Die Strecke des eigenen gestohlenen Drahtesels dann mit schönen Werbebannern schmücken, die neue Räder oder Baseballschläger für die Diskussion mit Fahrraddieben anpreisen, das Ganze mit "Was Sie heute Nachmittag noch tun sollten" markieren. So kann Advertising nach dem Das-wäre-Ihr-Preis-gewesen-Prinzip Spaß machen. Aber doch bitte nicht, indem mir ein digitaler Schokoriegel alle drei Hausecken erklären will, dass es jetzt Zeit für neue Lebensenergie wäre.

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(Harald Taglinger)