Die Invasion der Nanosatelliten
Der von Google ausgelobte millionenschwere Lunar X Prize hat einen kleinen Boom in der privaten Raumfahrtindustrie ausgelöst. Das Wettrennen zum Mond bringt so unwahrscheinliche Partner zusammen wie den König von Tonga und den deutschen Raketenunternehmer und Wernher-von-Braun-Schüler Lutz Kayser. Im Dezember soll der erste Start erfolgen.
Three, two, one - and lift-off! In Anwesenheit seiner Majestät George Tupou V., des Königs von Tonga, hebt eine Neptune 30 vom Weltraumbahnhof Eua im Pazifik ab. An Bord der dreistufigen Frachtrakete befinden sich mehr als zwei Dutzend Nanosatelliten, die in 300 Kilometer Höhe ausgesetzt werden und die Erde im polaren Orbit - also in Nord-Süd-Richtung bzw. umgekehrt - umkreisen werden. Die Nanosats gehören keiner Raumfahrtbehörde und auch nicht den Militärs, sondern akademischen oder privaten Forscherteams bzw. kommerziellen Unternehmen.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird ein Bericht an dieser Stelle noch in diesem Jahr, nämlich im Dezember, so beginnen, denn mit Science-Fiction hat das alles nichts zu tun. Die Rakete Neptune 30 gibt es wirklich, sie wird von der kalifornischen Betreiberfirma Interorbital derzeit in der US-amerikanischen Mojave-Wüste getestet. Die Nutzlast für den Jungfernflug beträgt zwar nur 30 Kilo, aber das reicht, um die genannte Zahl von Minisatelliten zu transportieren.
"Personal Satellite Kit"
Die Flugkörper vom Typus "Tubesat" oder des größeren "Cubesat" wiegen nämlich nur zwischen ein und zwei Kilo und werden mit einer Grundausstattung wie Funkequipment, Mikrocomputer und Solarzellen geliefert. Gerade einmal 8.000 Dollar kostet ein derartiges "Personal Satellite Kit", das mit zusätzlichen Komponenten wie Kameras und verschiedenen anderen Sensoren bestückt werden kann.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig, die Nanosats eigenen sich laut Hersteller Interorbital für Messungen am Magnetfeld der Erde ebenso wie für chemische Experimente und für Tests neuer Hardware auf Alltagstauglichkeit. Oder auch für Weltraumbestattungen, denn durch die relativ geringe Flughöhe sind nur ein paar Monate Lebenszeit gegeben, die Minisatelliten stürzen dann wieder zurück zur Erde und verglühen.
Metallionenbeschleuniger
Mindestens einem dieser Raumflugkörper, der im Dezember Teil der Nutzlast sein wird, dürfte eine längere Lebenszeit gegönnt sein. Der MiniRomit1 des dänisch-schweizerisch-italienischen Forscherteams Euroluna besteht aus zwei Cubesat-Modulen, eines davon enthält einen Raketenantrieb.
Der Raketenmotor ist ein "elektrischer Ionenbeschleuniger", Metallionen werden dabei entlang eines Magnetfelds beschleunigt und dann durch eine Düse gejagt. Ziel des Manövers ist es, eine Umlaufbahn in 700 Kilometer Höhe zu erreichen, wo dann die Kameras - sechs Stück mit jeweils 1,3 Megapixel sind an Bord - sowie alle anderen Funktionen getestet werden, vor allem aber der selbst entwickelte Antrieb.
Die Mondkonsortien
Der soll beim nächsten Launch des Euroluna-Teams die Raumfähre antreiben, die ein Landungsvehikel mit Mondfahrzeug zum Erdtrabanten bringen soll. Das Team bewirbt sich nämlich um den mit 30 Millionen Dollar dotierten Lunar X Prize von Google, wie auch sein Mitbewerber, das Konsortium Synergy Moon, dem auch der Raketenbauer Interorbital angehört.
Das Konzept für die Neptune-Serie, die in Zukunft auch Passagiere ins All befördern soll, wurde vom Deutschen Lutz Kayser, einem Schüler Wernher von Brauns, in den 1970er Jahren entwickelt.
Private Raketen
Der legendäre Raketeningenieur war nach seiner Pensionierung bei der Raumfahrtbehörde NASA von Kaysers Projekt begeistert, der mit der OTRAG (Orbital Transport and Rocket Corporation) das erste private Raumfahrtunternehmen etablieren wollte. Kayser scheiterte mit seinem Konzept damals ziemlich spektakulär, denn die Umstände für private Raketenbauer, noch dazu aus Deutschland, waren während des Kalten Kriegs nicht eben günstig.
Diplomatische Querelen über Raketentests in Entwicklungsländern, ein Streit mit dem libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi sowie der Beitritt Deutschlands zum Ariane-Projekt machten OTRAG schließlich den Garaus. Die Raketentests wurden seinerzeit nämlich nicht in Tonga, sondern in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo) und in der libyschen Wüste durchgeführt, wo Al-Gaddafi einen Großteil des Equipments beschlagnahmte.
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Neuauflage des Raketenkonzepts
Das OTRAG-Konzept aber lebte weiter, und Kayser ist als Chefberater mit an Bord von Interorbital. Wie damals geht es auch heute darum, möglichst viele handelsübliche Bauteile einzusetzen und die Raktete aus einzelnen Modulen so zu konzipieren, dass sie - je nach Nutzlast - größer oder kleiner gebaut werden kann.
Jedes Modul besteht aus einem Paar von Tanks und einem Raketenmotor. Beim Lanch vom Weltraumbahnhof Eua, Tonga werden vier davon in Stufe eins, dem Booster der Neptune 30, kombiniert, jeweils ein weiteres Modul bildet die Stufen zwei und drei.
(futurezone/Erich Moechel)