© Anatol Locker, Zwei Männer am Monitor

Musik: Der Hang zum Luxuscontroller

SOUND
27.03.2010

Einmal im Jahr hängt für Elektronikliebhaber der Himmel voller Geigen: Die Musikmesse Frankfurt zeigt neben Gitarren, Tubas, Klavieren und Schlagwerk, womit morgen Musik gemacht wird. Anatol Locker hat sich für ORF.at auf der Messe umgesehen.

Auf der diesjährigen Musikmesse Frankfurt zeigte sich ein klarer Trend hin zu neuen Benutzerschnittstellen. MIDI-Controller entwickeln sich mehr und mehr zur eigenen Gattung. Nachdem jahrelang das Bedienkonzept "Keys 'n' Wheels" vorherrschte, beginnen Hersteller, ausgefallenere Modelle anzubieten.

Dazu zählt beispielsweise die britische Firma Eigenharp. Ihre Controller Pico (399 Pfund/445 Euro), Tao (1.899 Pfund/2.100 Euro) und Alpha (3.995 Pfund/4.400 Euro) sehen aus wie zu groß geratene Chapman-Sticks. Auf dem Griffbrett sind aber keine Saiten gespannt, sondern Knobs eingelassen, von denen jeder sechs Freiheitsgrade besitzt. Sie simulieren Pressure, Pitchbend und Filter. LEDs zeigen den aktuellen Betriebszustand an.

Zusätzlich gibt es Percussion-Buttons, Blaswandler, zwei sehr große Strip-Controller, Mikro-Preamp und einen Kopfhörerausgang. Für die Masse an Daten reicht die Übertragung via MIDI nicht mehr aus, weshalb die Controller mit einer eigenen Software ausgeliefert werden. In dieselbe Kerbe schlägt DeFacts Karlax: 14 Switches, ein Joystick, Sensoren für Lage, Bewegung und Tilt des zweiteiligen Controllers sind fürs kreative Sample-Verbiegen fast schon zu schade. Das Gerät, das entfernt an eine Oboe erinnert und auch so gehalten wird, erscheint Ende des Jahres und wird rund 3.000 Euro kosten.

Aufgebohrt: Wavelab 7

Wavelab gehört zu den Editoren, mit deren Hilfe Audio chirurgisch bearbeitet und gemastert wird. Das mächtige Werkzeug wurde von Hersteller Steinberg erneut verbessert. Die Oberfläche besitzt ein neues Design; Fenster und Symbolleisten sollen nun besser den Workflows der Audioexperten entsprechen.

30 neue Plug-ins, darunter die Restaurationssuite von Sonnox, sollen helfen, Standardaufgaben im Studio schneller zu bewerkstelligen. Das Programm erscheint in der zweiten Hälfte des Jahres. Und noch eine Neuheit gibt es: Erstmals erscheint Wavelab auch für Mac-User. Außerdem verbessert Steinberg seinen Sequenzer Cubase auf Version 5.5.

Leckeres Schwedenhäppchen: Elektron

Fans der schwedischen Firma Elektron bewiesen lange Geduld: Sechs Jahre mussten sie auf einen Nachfolger der legendären Machinedrum und des Synthesizers Monomachine warten. Nun vereint Octatrack einen 8-Spur-Sampler mit Drummachine-Grid-Programmierung. Wie bei Elektron üblich, lassen sich Samples intuitiv und äußerst kreativ verschrauben. Der Charme besteht darin, dass sich die Samples - ähnlich wie bei Ableton Live - automatisch dem Tempo anpassen.

Timestretching unabhängig von der Tonhöhe ist quasi eingebaut. Zusätzlich lässt sich jeder Schritt im Step-Sequenzer mit Effekten belegen. Auch auf Design haben die Schweden Wert gelegt: Das Octatrack erinnert an alte Braun-Musiktruhen, die von Designer Dieter Rams zeitlos entworfen wurden. Das Interesse am Octatrack war am ersten Tag der Vorstellung so groß, dass die Elektron-Seite komplett zusammenbrach.

Retro aktuell

Wolfram Franke, der u. a. Synth-Legenden wie Blofeld und Microwave II programmierte, hat das VST-Plugin PPG 2.V überholt. Der PPG 3.V kann nun Samples des legendären Retro-Synthesizers in Originalqualität abspielen - und erzeugt so die Sounds, die Alphaville und Frankie goes to Hollywood berühmt gemacht haben. Retro auf der Höhe der Zeit, sozusagen.

Magix, deren Profiproduktlinie immer noch kräftig unterschätzt wird, bietet mit Vandal dem Quasistandard Guitar Rig von Native Instruments die Stirn. Statt auf Impulsantworten setzt Vandal auf Physical Modeling, um Amps, Pedals und Boxen zu emulieren. Das Ergebnis ist ein warmer, echter Klang, der den Sound eines Verstärkers exzellent abbildet.

Zu wenig obskure Elektronik

Charmant ist Korgs Monotron, ein winziger analoger Synthesizer mit MS-10-Filtern und Ribbon-Controller. Gar nicht so klein fällt die Microstation, eine Workstation mit 16-Spur-Sequenzer, 61 Minitasten und M3/M50-Klangerzeugung, aus.

Korg hat weiters seine Electribe-Serie aufgepeppt: Die neuen Modelle EMX-1 SD und ESX-1 DS fetten den Sound mit zwei Röhren an, verfügen nun über zusätzliche Ribbon- und Slider-Controller und können über SD-Karte mit Samples bestückt werden.

Auf eines mussten Modular-Fans und Stromschrauber dieses Jahr verzichten: Das Superbooth von Schneiders Büro, Anlaufstelle für handgelötete, charaktervolle, manchmal obskure Elektronik, fehlte diesmal. Erst 2011 wird man Koryphäen wie Dieter Döpfer wieder live erleben dürfen.

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(Anatol Locker)