© Fotolia/Yanik Chauvin, Laptop mit Ärzte-Sujet

"Dr. Google" als Problem für Arzt und Patient

STUDIE
29.04.2010

Die Wiener Wissenschaftlerin Ulrike Felt hat in einer rund dreijährigen Studie analysiert, wie medizinisches Wissen aus dem Internet die Beziehungen zwischen Ärzten und Patienten beeinflusst. Die Ergebnisse der Studie sind eher ernüchternd: Die Patienten achteten kaum auf Qualität und Herkunft der über die Suchmaschinen gefundenen medizinischen Informationen.

Felt, Vorstand des Instituts für Wissenschaftsforschung an der Universität Wien, untersuchte mit Suchexperimenten, Website-Analysen, Medienanalysen und Interviews die Arzt-Patient-Beziehungen in Zeiten der Internet-Recherche. Im Rahmen der Studie wurden unter anderem qualitative Interviews mit Patienten und Ärzten geführt, Internet-Suchvorgänge von Probanden im Labor beobachtet und Patientenfragebögen ausgewertet. Die Studie wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) gefördert.

Wolfgang Routil, Präsident der steirischen Ärztekammer, gab bei der Präsentation der Studie am Mittwochabend in Graz zu Protokoll, dass die Ärzte in der Regel an googelnden Patienten "nur bedingt Freude" hätten. Felts Studie gibt deutliche Hinweise darauf, warum dem so ist.

User suchen Bestätigung statt Information

"Bis auf eine einzige Ausnahme benutzten alle unserer Probanden die Suchmaschine Google für ihre Recherchen", so Felt. Die Auswahl der von Google angebotenen Seiten erfolge dann willkürlich: "Meistens werden nur Unterseiten und nicht die gesamte Website besucht. Qualitätslabel werden kaum beachtet, weil sie entweder nicht erkannt oder überhaupt nicht gefunden werden."

Die Nutzer würden generell meistens nicht nach Informationen, sondern eher nach Bestätigung suchen. Auch der Name der Website, die grafische Aufbereitung, die Übersichtlichkeit und die verwendete Sprache hätten Einfluss darauf, ob die Website von den Usern beachtet werde.

Felt ermittelte im Zuge ihrer Studie vier unterschiedliche Patiententypen: Im ersten, dem Verbesserte-Hierarchie-Modell, meinen diese, dem Arzt die Arbeit abzunehmen, indem sie sich bereits vor der Untersuchung über Krankheiten und Fachbegriffe informieren. Nach dem Kompensations- und Erweiterungsmodell herrscht beim zweiten Patiententyp die Meinung vor, dass die Ärzte nicht alles wissen können, und sie das Wissen durch das Internet ergänzen.

Das dritte Modell ist das Verhandlungsmodell, bei dem sich der Patient selbst über mögliche Behandlungen informiert und dann mit dem Arzt darüber verhandeln will. Die letzte Patientengruppe handelt nach dem Aufgabenverteilungsmodell: Sie "erlauben" dem Arzt, sich um die Behandlung zu kümmern, eignen sich aber das theoretische Wissen über die Krankheit selbst an. "Viele Patienten wollen gar nicht zugeben, dass sie ihr Wissen aus dem Internet beziehen, um dem Arzt nicht das Gefühl zu geben, dass sie ihm nicht vertrauen", so Felt.

Veränderung der Arzt-Patient-Beziehung

In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Felt, der Allgemeinmedizinerin Doris Wiesauer, dem Radiologen Erich Sorantin und dem Doktoranden Michael Sacherer wurde auf die Gefahren der Selbstdiagnose via Internet eingegangen. "Wenn die Leute im Internet selbst recherchieren und dabei auf beängstigende Diagnosen stoßen, können sich im Ernstfall sogar Neurosen entwickeln", so Wiesauer.

Sorantin bestätigte das: "Befunde aus dem Internet können Furcht hervorrufen. Das Internet klärt teilweise zu sehr auf." Die andere Seite sei, dass schwere Krankheiten im Internet auch verharmlost werden können. Einig waren sich die Experten darin, dass der Arzt-Patient-Beziehung in den nächsten Jahren durch das Internet eine gravierende Veränderung bevorstehe. Man müsse sich überlegen, wie man das Internet sinnvoll einsetzen könne, so der allgemeine Tenor.

(APA/futurezone)