© Günter Hack, Alte Browser auf Windows 95

Pager, Modems, Datendandys: "Matrix" wird 15

"MATRIX"
09.05.2010

Gerade einmal 16 Millionen User surften auf dem "Datenhighway", als die Ö1-Sendereihe "matrix - computer und neue medien" am 7. Mai 1995 erstmals auf Sendung ging. 15 Jahre später führt die Internet-World-Statistik über 1,8 Milliarden Nutzer. Das Leben im Netz ist einfacher und komplexer zugleich geworden, und so manche Binsenweisheit der Industrie hat überlebt.

"Matrix" am Sonntag

Die "matrix"-Folge zu diesem Beitrag hören Sie am Sonntag um 22.30 Uhr in Ö1.

Mit 14,4 KBit/s eine Stunde lang Links zu folgen, zu chatten und E-Mails zu verschicken kostete 1995 satte 40 Schilling. Es gab noch keine Flatrate und keinen Internet-Tarif. Letzerer wurde in Österreich erst zwei Jahre später, 1997, eingeführt.

Ab 18.00 Uhr und am Wochenende kostete das Vergnügen dann zehn Schilling pro Stunde. Im Büro, meinte ein Vertreter der Post, habe man ohnehin keine Zeit zum Surfen.

Die Zukunft, 1995

Die älteren Semester schrieben sich 1995 in den Albertinaplatz-Computerclub ein, die jüngeren lasen "Wired", das Zentralorgan der Telekommunikationsgesellschaft. Es gab "Das Elektron" und "Ihr Hugo Kirnbauer" mit seinen Geschichten über die Raumfahrt.

In den USA führten Bill Clinton und Al Gore ihren ersten Internet-Wahlkampf. Man prognostizierte schon damals: Mit einem Internet-Auftritt könne man drei Prozent der Wähler dazugewinnen. Kurz danach stöhnte das Weiße Haus über die E-Mail-Flut und wild gewordene Programme, die diese automatisch beantworteten. Die User hingegen bastelten weiter an ihren Homepages und dekorierten ihr erstes digitales Heim mit animierten GIFs, virtueller Ziegeltapete und "Under Construction"-Baustellenatmosphäre.

Aus dem Archiv:

Micro/Soft

Es gab den Browserkrieg zwischen Microsoft und Netscape und Windows 95, das damals für so manchen das Fenster zur Welt bedeutete. In Wien feierte man den Ausblick auf das neue Informationszeitalter im Stephansdom, wo vor versammelter Presse das Geschäft Orgelpfeife gegen Spendenscheck abgewickelt wurde.

Während sich die österreichische katholische Kirche zufrieden gab, witzelte der Rest der Welt über Windows 95: Das sei kein Betriebssystem, sondern die Mutter aller Software-Fehler. Eben ein Bug. Was wiederum ein paar Programmierer in Seattle 1994 bei einem Glas kühlem Bier zur Geschäftsidee verhalf, mit Bugs Geld zu verdienen. Das Bugnet war geboren. Ein paar Bucks gegen ein paar Virentipps.

Was blieb

15 Jahre und einige Software-Generationen später muss noch immer betont werden: "Es gibt keine fehlerfreie Software." Und wie damals glauben auch heute manche, die Antwort auf das Problem in mathematischen Formeln gefunden zu haben. Alles werde besser, sobald mit Logik und Maschinen Code produziert werde.

Nur der Beweis steht noch aus. Verifying Compiler, Self Healing Systems und die temporale Logik sind wissenschaftliche Bereiche, die spannend bleiben. Auch in Österreich. Denn was Amir Pnuelli, den Turing-Preisträger des Jahres 1996 und Erfinder der temporalen Logik, seit den 1970ern faszinierte, wurde gerade erst diese Woche wieder bei einer Konferenz in Klosterneuburg am IST weitergedacht.

Der als größter Software-Fehler aller Zeiten heraufbeschworene Millenniumsbug hatte allerdings weniger Auswirkungen als angedroht. Das Problem ist zwar noch nicht aus der Welt, aber Österreich ging nur einmal offline - am 25. März 1997. Und das war mehr als eine "virtuelle Traktordemo mit erhobenen Mistgabeln auf dem Ballhausplatz".

Aus dem Archiv:

Was ging

Mitte der 1990er Jahre hatten Gopher und Mosaic ausgedient. Netscape, Yahoo und Alta Vista prägten das World Wide Web. Es gab Homepages, Gästebücher und Frames. Es gab den Versuch, die Internet-Zeit einzuführen und eine digitale Währung.

Es dominierten noch Java-Applets statt JavaScript. Aber es gab auch so manche alte Technik, die wieder ausgegraben und mit dem Label "chic" versehen wurde. Denn für Revolutionen brauchte man damals weder Twitter noch Facebook, Weblog oder Handy, sondern nur einen Pager, genauer gesagt Airpage.

Es kommt oft anders, als man denkt

Drei Buchstaben reichten fast, um cool zu sein. 1996 gab es in Österreich die ersten Versuche zu SMS. "E-Mail für Handys" nannte man es damals. Besitzer von Newtons und anderen PDAs hatten zwar auch noch kein Modell für die Hosentasche in der Hand, trotzdem beobachteten sie eher abschätzig die erste Handygeneration.

Die Reduzierung auf ein kleines Display und 160 Zeichen - wer sollte sich das antun wollen? Die Handys selbst waren zu schwer und zu teuer. Seinen Obolus an die Post in Form von hohen Telefonrechnungen hatte der Datendandy schließlich schon abgeleistet.

Aus dem Archiv:

"Killerapplikationen" sahen anders aus. Als cool galt dagegen ICQ. Ein paar junge israelische Programmierer brachten das Instant-Messaging-System 1996 auf den Markt, um mit seinen "Buddies" in Kontakt zu bleiben. Das Netz ist nicht erst seit gestern "sozial".

Aus dem Archiv:

Und auch zur Idee hinter dem ach so neuen Cloud-Computing findet sich ein Äquivalent in den Archiven: der Netz-,Web- oder Internet-PC. Und selbst das war damals schon alles andere als neu, sondern nur eine immer wiederkehrende Laune der Geschichte. Die damaligen Apologeten beteuerten, es gehe ihnen um das Ende der Vorherrschaft von Intel und Microsoft, und sahen ihre Zukunft in Terminals, die ohne Bildschirm und Massenspeicher daherkamen.

"Die Rückkehr des Zentralismus", nannten wir das einmal, und Mischa Zickler moderierte 1996 trocken: "Wir haben unser Leben an das Internet verloren, und jetzt verlieren wir auch noch unseren Rechner. Was ist schlimmer?"

(matrix/Mariann Unterluggauer)