Microsoft-Prozess erreicht neuen Höhepunkt
1. Prozess: IBM vs. Microsoft
Gestern hat Garry Norris, der wichtigste Zeuge der Anklage, vor Gericht ausgesagt. Norris war bis Mitte der 90er bei IBM Chefverhandler mit Microsoft. Mit den Aussagen erreicht der Kartellprozess gegen den Softwaregiganten einen neuen Höhepunkt.
"Microsoft hat mehrere Male unsere Partnerschaft missbraucht, um Druck auszuüben", fasst Norris zusammen. Im besonderen wollte Bill Gates IBM zwingen, die Auslieferung von Computern mit dem OS/2-Betriebssystem einzustellen. Auch die OfficeSuite Lotus SmartSuite sollte nach Wunsch von Bill Gates nicht mehr auf IBM-Rechnern zu finden sein.
Das Dilemma spitzte sich 1995 mit der geplanten Auslieferung von Windows 95 zu, so Norris weiter. Nachdem IBM sich weigerte, SmartSuite fallen zu lassen, schaltete Gates auf stur und verbot die Auslieferung von Windows 95 an IBM. Erst 15 Minuten vor dem offiziellen Verkaufsstart gab er das Betriebssystem an Big Blue frei.
"Dadurch wurden wir Monate zurückgeworfen", klagt Norris. "Wir haben den Anfangsspurt sowie den Schulbeginn verpasst. Ausserdem waren wir zu Weihnachten zu spät, das ja normalerweise in unser stärkstes Quartal fällt". Der Microsoft-Kontaktmann soll daraufhin gesagt haben: "Where else are you going to go? This is the only game in town".
Bristol gegen Microsoft
Szenewechsel: Im Prozess der kleinen Computerfirma Bristol [8 Millionen USD Umsatz] gegen Microsoft [14.500 Mio] spricht Bill Gates per Video zur Jury.
Dem beinahe 2000 Mal grösseren Unternehmen wird vorgeworfen, zuerst mit Bristols Hilfe neue Märkte besetzt zu haben, um dann die Firma wie eine heisse Kartoffel fallen zu lassen. Bristol hatte ein Produkt namens Wind/U entwickelt, das Portierungen zwischen Windows und UNIX erleichtern sollte.
Bill Gates gab sich auf dem Video entspannt, trank Cola und vergass im Gegensatz zu früheren Performances auch nicht zu lächeln.
Die Klage Bristols bezeichnete er als lächerlich und argumentierte, dass die Firma sich über den Umweg einer Klage günstigere Bedingungen aushandeln wolle.
Angriffe pariert
Im Verlaufe des VideoAussage verneinte Bill Gates die Absicht, Windows NT 1993 als Trojanisches Pferd in einen vor allem von UNIX dominierten Markt eingeschlichen zu haben. Patrick Lynch, ein Anwalt von Bristol, befragte Gates über eine Zitierung im "Fortune".
Dort liess er verlauten, dass Microsoft eine "berechenbare Firma" sei, denn: "Was wir mit Windows auf dem Desktop-Markt erreicht haben, wollen wir auch am Server-Markt erreichen. Microsoft ist deswegen erfolgreich, weil es das Computing revolutioniert hat".
Bristol will neue Zeugen in den Zeugenstand rufen.