Vorratsdaten wieder vor EU-Gerichtshof
Das Höchstgericht der Republik Irland hat beim EuGH offiziell um eine Entscheidung angefragt, ob die anlasslose Speicherung von Telefonie- und Internet-Daten überhaupt mit der Grundrechtecharta der Europäischen Union vereinbar sei. Irland nimmt Österreich damit die Arbeit ab, denn hierzulande wurde dieselbe Vorgehensweise angekündigt.
Plötzlich kommt Bewegung in die verfahrene Angelegenheit rund um die Vorratsdatenspeicherung, wie der gängige Euphemismus für die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Geodaten aus Telefonienetzen und dem Internet lautet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss sich nun zum zweiten Mal mit der Vorratsdatenspeicherung auseinandersetzen, und wieder geht die Initiative von Irland aus. Diesmal läuft die Sache allerdings diametral umgekehrt.
"Die Gezeiten ändern sich, auf nationaler Ebene wird von den obersten Gerichten zunehmend verstanden, welche Bedrohung das darstellt", antwortete T. J. MacIntyre von Digital Rights Ireland am Sonntag auf Anfrage von ORF.at.
Unter der ausgesprochen überwachungswütigen Regierung von "Taoiseach"- wie die Iren ihren Premierminister nennen -Bertie Ahern hatte die Inselrepublik sofort nach Verabschiedung der EU-Richtlinie im Jahr 2006 Klage gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Zwei Jahre Speicherfrist reichten den Iren nicht, man wollte die Daten drei Jahre lang aufbewahren, wie es Frankreich bereits 2001 beschlossen hatte.
Formalitäten
Der EuGH ließ sich erst einmal Zeit bis Juli 2008, fast zwei Jahre nach der Einreichung der Iren begannen die Verhandlungen. Es ging einzig und allein um einen formalen Aspekt in der Klage: dass die Richtlinie nämlich im falschen EU-Gremium einer Inkraftsetzung zugeführt worden wäre.
Im März 2009 kam dann das Urteil des EuGH: Die Richtlinie berühre zwar Kompetenzbereiche der "Dritten Säule" (Justiz und Strafverfolgung) der Union, aber sie unterstütze primär das Funktionieren des Binnenmarkts, indem sie verhindere, dass die einzelnen Staaten inkompatible Speichermechanismen implementierten.
Die erste EuGH-Entscheidung
"Der Gerichtshof stellt zunächst klar, dass sich die von Irland erhobene Klage allein auf die Wahl der Rechtsgrundlage bezieht und nicht auf eine eventuelle Verletzung der Grundrechte als Folge von mit der Richtlinie verbundenen Eingriffen in das Recht auf Privatsphäre", teilte das Gericht dazu mit.
Formalitäten jetzt
Die neue Anrufung des EuGH kommt nun vom Irish High Court, der von Digital Rights Ireland angerufen worden war. Formaljuristisch war die Klage an drei Fragen "aufgehängt": Habe man als Bürgerrechtsorganisation das Recht, den Irish High Court bezüglich der Wahrung der Privatsphäre und anderer Grundrechte anzurufen?
Antwort des irischen Höchstgerichts: Ja.
Frage zwei war des Inhalts, ob Digital Rights Ireland in dieser Angelegenheit, die im Grunde unter das Hoheitsrecht des irischen Staats falle, auf eigene Kosten den Weg durch die Instanzen gehen müsse.
Nein, hieß es dazu von den Richtern, die dann den Fall an den EuGH weiterreichten. Damit war auch die dritte Frage beantwortet, denn die lautete kurz gefasst so: Soll der EuGH entscheiden, ob die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit den Grundrechten vereinbar ist?
Damit nimmt Irland, dereinst unter jenen vier EU-Staaten, von deren Initiative ab 2001 die Vorratsdatenspeicherung ausging, der österreichischen Bundesregierung etwas Arbeit ab. Genau dasselbe Prozedere wurde von Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) angekündigt, nachdem der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof im März die Umsetzung der EU-Richtlinie in Deutschland für verfassungswidrig erklärt hatte.
Davor hatten das bereits die Höchstgerichte in Bulgarien und Rumänien getan, was europaweit auf etwas weniger Beachtung gestoßen war als die deutsche Entscheidung.
(futurezone/Erich Moechel)