© Fotolia/Superingo; ORF.at (Montage), Heimkino mit Rauschen

HDTV ferngesteuert und mit Abschaltoption

USA
12.05.2010

Die Entscheidung der US-Regulierungsbehörde, Filmindustrie und Bezahl-TV das Recht zu geben, in den Set-Top-Boxen ihrer TV-Kunden alle analogen Ausgänge bei Bedarf aus der Ferne zu deaktivieren, hat in den USA reichlich Empörung ausgelöst. Befürchtet wird, dass dieselbe "Selective Output Control"-Schaltung bald auch in Grafikkarten und anderen PC-Komponenten auftauchen wird.

Die Schaltung mit der unverfänglichen Bezeichnung "Selective Output Control" ist in neueren Endgeräten für digitales Bezahlfernsehen via Satellit und Kabel höchstwahrscheinlich bereits vorhanden, aber jedenfalls bisher nicht aktiviert. Das nachzuprüfen ist auch Experten nicht möglich, denn die Welt der Kopierschutzmechanismen ist naturgemäß hochproprietär aufgestellt.

Die US-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) ließ der Unterhaltungsindustrie dabei - technisch gesehen - freie Hand. Natürlich geht es der Industrie darum, "Premium Content" gegen "Raubkopierer" abzusichern, beschränkt auf neue HDTV-Angebote ist das Zugriffsrecht technisch jedoch nicht. Es ist an Auflagen im Prozedere gebunden, das jederzeit änderbar ist.

Zugang zu den Spezifikationen wiederum erhalten jeweils nur Bezahl-TV-Betreiber und die Produzenten der Hardware. Diese "selektive Ausgangskontrolle" ist nur dazu da, die analogen Ausgänge der Set-Top-Box zu deaktivieren. Über die nämlich wäre es den Nutzern immer noch möglich gewesen, die gesendeten Inhalte gegen den Willen der Industrie aufzunehmen.

Rechte, Restriktionen

Über den digitalen Ausgängen waltet bereits seit längerem das "Digital Rights Management", das aus Konsumentensicht "digitales Restriktionsmanagement" heißen müsste.

Kopierschutzsysteme wie das von Intel entwickelte und weit verbreitete HDCP (High-bandwidth Digital Content Protection) und das ältere System der japanischen Elektronikindustrie (Hitachi, Panasonic, Sony und Toshiba), an dem der US-Chipgigant ebenfalls mitbeteiligt war, verhindern das Mitschneiden über die digitalen Ausgänge.

"Schlüsselübergabe an Hollywood"

"Die FCC übergibt Hollywood damit die Schlüssel zu Ihrem PC, Ihrem Heimkino und Ihrer Zukunft", nannte das der bekannte Blogger Cory Doctorow, der ganz konkrete Befürchtungen hegt, dass sich die Lizenz zum Deaktivieren der Analogausgänge nicht auf Set-Top-Boxen beschränken wird.

Der wirklich schaurige Teil sei, dass es hier nicht nur um TV-Geräte und Set-Top-Boxen gehe, sondern um Betriebssysteme allgemein, schrieb Doctorow. Und darum, welche Features von Komponenten wie Grafikkarten, Netzwerkinterfaces, Motherboards bzw. Treibern etc. genützt werden können, um den Vorgaben der Konzerne zu entsprechen.

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Die FCC habe nun die Schlüssel zur Spezifikation von Treibern und anderen Komponenten, "die vom Billigsdorfer-Netbook bis zum selbst gebauten Linux-PC in jedem Rechner stecken werden, an die Hollywood-Dinosaurier übergeben". Der "neue De-facto-Regulator des Markts für Komponenten ist damit die MPAA", so Doctorow.

"Sieg für Konsumenten"

Die Lobbyorganisation Motion Pictures Association of America (MPAA) treibt eine solche Regelung seit zwei Jahren voran. Addiert man diesen Faktor zur Unzahl neuer Set-Top-Boxen, die in eben diesem Zeitraum an die US-Haushalte ausgeliefert wurden, und fügt dazu noch die strikten Vorgaben der Unterhaltungs- an die Hardware-Industrie bezüglich Kopierschutz hinzu - dann folgt was daraus? Dass eine solche, technisch nachgerade triviale Schaltung in der Hardware bereits integriert ist und nur noch in der Firmware freigeschaltet werden muss.

Als "wichtigen Sieg für die Konsumenten", weil den Haushalten bald "weit mehr aktuelle Filme als bisher zur Verfügung" stehen würden, sahen es wohl nur Bob Pisano, Präsident der MPAA, die Filmstudios und die übrige Unterhaltungsindustrie.

Auf der Mailingliste von Netzwerkprofessor Dave Farber, wo so ziemlich alles an technischer Intelligenz der frühen Internet-Jahre versammelt ist, weist der Thread zum Thema "Hollywood kann Funktionen im TV deaktivieren" eine vom Üblichen abweichende Tonart auf. Anstelle des gewohnten, allenfalls leicht ironischen Kammertons der "feinen Klinge" herrscht hier von Wut auf die FCC gespeister Sarkasmus.

"Ohrfeige für Konsumenten"

"Ich sehe das als Ohrfeige mit Stinkefinger für den Konsumenten", schrieb einer der Netzwerker auf der Liste von Farber, der selbst unter der Regierung von Bill Clinton ein Jahr lang oberster technischer Berater der FCC war.

Sobald das System funktioniere, würde USA-weit für zig Millionen Dollar angeschafftes Equipment für Großbildschirme weggeworfen werden, das noch über keine HDMI-Ausgänge verfüge. Gemeint ist damit nicht nur die erste Generation der flachen TVs für 16:9-Patschenkino, sondern es sind mittelständische Dienstleistungsbetriebe wie "Sport Bars" und Wettbüros bis hin zu den Hotelketten.

"Es scheint, die meisten haben das zugehörige Memo nicht mitbekommen, das da lautet: 'Der Name auf dem Equipment bezeichnet nicht nur den Hersteller, sondern auch den wahren Eigentümer'", schreibt ein anderer langjähriger Teilnehmer der Liste. "Ich warte nur noch darauf, dass meine drahtlosen Lautsprecher aufhören, meine MP3s zu streamen. Oder soll ich sagen 'Sonys MP3s'?"

(futurezone/Erich Moechel)