Malmström zeigt Entwurf für SWIFT-Abkommen
EU-Justizkommissarin Cecilia Malmström hat am Donnerstag im Rahmen einer Anhörung im Justizausschuss des EU-Parlaments den aktuellen Entwurf des Vertrags vorgestellt, der den Austausch von Finanzdaten zwischen der EU und den USA zur Terrorismusbekämpfung regeln soll. Die EU-Parlamentarier sehen Fortschritte, fordern aber weitere Korrekturen.
"Bei dem Entwurf handelt es sich noch nicht um die finale Version", sagte ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser am Donnerstag zu ORF.at. "Wir konnten bei der ersten Durchsicht einige bemerkenswerte Verbesserungen gegenüber der Version vom Februar feststellen."
Die Rechte der durch die Übermittlung der Finanzdaten betroffenen Bürger gegenüber den US-Behörden seien verbessert worden. Auch die Weitergabe von Finanzdaten an Drittstaaten dürfe jetzt nur noch mit Genehmigung der EU-Stellen durchgeführt werden.
EU will eigenes Analyseprogramm
Auch in Sachen Reziprozität seien die USA den Forderungen des EU-Parlaments entgegengekommen. Die US-Behörden, die das Terrorist Finance Tracking Program (TFTP) betreiben, zeigten grundsätzlich Bereitschaft, den Aufbau eines entsprechenden Systems in der EU zu unterstützen und auch US-Finanzdaten an europäische Fahnder zu übermitteln. Hier müsse aber noch über den Umfang der US-Unterstützung verhandelt werden. Das Abkommen laufe auf fünf Jahre, es kann auch gekündigt werden, wobei die Übergangsfrist nach einer Kündigung sechs Monate betrage. Die Daten dürften höchstens fünf Jahre gespeichert werden.
Strasser drängt nun darauf, die Kompetenzen jener EU-Vertreter präzise zu fassen, die in den SWIFT-Rechenzentren sitzen und die Datenübertragungen in die USA kontrollieren sollen. "Der Ablauf funktioniert so, dass die USA eine Abfragenachricht schicken", sagte Strasser. "Dann prüft eine Stelle der EU, ob die Anfrage berechtigt ist. Wenn ja, reicht sie die Anfrage an SWIFT weiter. Im Rechenzentrum sitzt ein, wie es im Entwurf heißt, 'Independent Official' der EU, der die Datenübergabe überwacht." Dieser Vertreter der EU soll im Zweifelsfall die Kompetenz haben, eine Datenübertragung zu stoppen. "Dazu gibt es bereits eine Passage im Entwurf, die wir aber gerne noch deutlicher gefasst hätten", so Strasser. Generell habe es sich aber gelohnt, dass das EU-Parlament "die Zähne gezeigt" habe.
SPÖ: Kritik an massenhafter Datenübermittlung
Die Positionen im Sicherheitsausschuss sind zwischen Konservativen (EVP), Sozialdemokraten und Liberalen akkordiert. Auch Hannes Swoboda, stellvertretender Leiter der Sozialdemokratischen Fraktion (SPE) im EU-Parlament, sieht "einen Fortschritt" bei den Verhandlungen. Er ortet in der geplanten Übermittlung von Datenmassen zu Zwecken der virtuellen Rasterfahndung allerdings noch Spielraum für Verbesserungen.
Der liberale deutsche Abgeordnete Alexander Alvaro (FDP/ALDE) zeigte sich vorsichtig optimistisch. Der vorliegende Entwurf gehe zwar auf viele Kritikpunkte des EU-Parlaments ein, es blieben jedoch Datenschutzbedenken bestehen. "Die Verhandler werden noch ein wenig nachsitzen müssen", so Alvaro. "Trotz grundlegender Fortschritte beim Rechtsschutz und der Weitergabe der Daten an Drittstaaten gibt es noch offene Fragen hinsichtlich der Speicherdauer sowie des Umfangs und des geplanten Autorisierungsverfahrens der Datenübermittlung." Er hoffe, dass Kommission und Rat die Bedenken des Parlaments berücksichtigen und die Verhandlungen mit den USA nicht für beendet erklären.
Liste Martin: Entwurf veröffentlichen
Martin Ehrenhauser von der Liste Martin forderte Justizkommissarin Malmström in einer Mitteilung vom Donnerstag dazu auf, den Entwurf für das Abkommen öffentlich zu machen. Derzeit könnten auch EU-Abgeordnete nur unter Aufsicht von EU-Beamten Einsicht in das Papier nehmen. Er kritisierte, dass der Entwurf weiterhin den Massentransfer von Finanzdaten an die US-Behörden vorsehe. Die überwiegende Menge der übermittelten Daten stamme von unbescholtenen Bürgern. Ehrenhauser kritisierte auch den knappen Zeitplan. Der fertige Text solle erst Ende Juni vorgestellt werden, kurz vor der geplanten Abstimmung im EU-Parlament.
Strasser sieht keinen Zeitdruck: "Qualität geht in jedem Fall vor Geschwindigkeit. Wenn die Bedenken des Parlaments nicht ausgeräumt sind, werden wir noch eine Verhandlungsrunde drehen." Diese würde dann allerdings erst nach der Sommerpause des EU-Parlaments stattfinden können. Malmström habe den Parlamentariern versichert, sie wolle sich in deren Sinn für die geforderten Korrekturen und Präzisierungen im Vertrag einsetzen.
Langer Streit über Finanzdaten
SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ist ein Finanzdienstleister mit Sitz in Belgien, der ein Netz für rund 8.000 Banken in mehr als 200 Ländern betreibt, über das Informationen über Geldtransfers weitergegeben werden. Nach eigenen Angaben wickelt SWIFT etwa 15 Millionen Transfers täglich ab. Das sind etwa 90 Prozent des internationalen Zahlungsverkehrs.
Jahrelang benutzten die US-Behörden ohne Wissen der Öffentlichkeit das Netzwerk im Kampf gegen den Terrorismus. Sie zogen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 Daten vom SWIFT-Rechenzentrum in den USA ab, damit die US-Dienste Terrorverdächtige und deren Geldgeber im Rahmen des Programms gegen Terrorfinanzierung (TFTP) verfolgen konnten. SWIFT verlagerte die Bearbeitung europäischer Daten daraufhin in Rechenzentren in den Niederlanden und in der Schweiz, weswegen die US-Behörden keinen direkten Zugriff mehr auf die Daten hatten. Ein erstes Interimsabkommen lief 2009 aus, das EU-Parlament erzwang Neuverhandlungen.
SWIFT übermittelt nach eigenen Angaben derzeit keine europäischen Daten an die US-Behörden. Man warte auf die klare Rechtsgrundlage des abzuschließenden Abkommens, hieß es zuletzt. Auch ohne dieses Abkommen können US-Fahnder über die üblichen Verfahren zur Amtshilfe Daten aus EU-Mitgliedsstaaten anfordern.
(futurezone/Günter Hack)