Leben mit Listen: Die Vertwitterung des Webs
Die dominante Mode im Web ist sehr einfach zu beschreiben: Alles wird Twitter. Denn Twitter ist simpel, und meistens funktioniert es auch. Allerdings zerhackt der Trend zur Kurznachricht die Kommunikation im Netz in zu kleine Einzelteile. Wir meinen: Ein Leben als Follower in Listen ist doch furchtbar.
Es ist Sommer, und die Updates wichtiger Websites stehen an. Digg ist so eine. Und die marschiert nun auch in Richtung Twitter. Von der Philosophie her, erfahren wir.
Facebook und andere Designverbrechen sind ja schon längst vertwittert. Das ganze Leben spielt sich dort in Listen ab. Noch ein Kopf, dann ein kurzer Satz, dann ein Link, und man kann es mögen oder ihm folgen oder nix.
Die Welt ist ein wenig kleiner geworden. Sie soll in 140 Zeichen passen. Oder in einen Status Report. Wenn eine Headline nicht gerade in dieses Schema passt, dann wird es schon schwierig. Die deutsche Justizministerin kann ein Leidenslied davon singen. Wer twittert schon ihren Nachnamen? "Leutheusser-Schnarrenberger" ist einfach nicht kompatibel mit der Jetztzeit. Bevor die zu ihrem Statement kommt, klickt man schon wieder "more".
Mal schauen, wie schnell sich dieser kondensierte Konsens zum Standard im Web ausbildet. Die Vorformen davon haben jedenfalls schon zu immer knapperen Headlines geführt. Ende 2009 stieg die durchschnittliche Online-Zeit auf 13 Stunden pro Woche. Und weil die News pro Site immer schneller und kleiner und getwitterter werden, sind wir alle noch mehr am Lesen.
Oder, das wäre ein schlimmer Verdacht: Wir sind damit beschäftigt, mehr und mehr zu mögen und diesen Schrumpfinhalten zu folgen. Aber mit dem Verstehen hapert es.
Die längste und höchste Website der Welt hat deswegen ja auch nicht mehr Inhalt zu bieten und dient der Aufklärung nur minimal. Also nicht aufregen. Twitter ist nun einmal das Design der Zeit.
Umgekehrt: Es kann ja sein, dass plötzlich in ein bis zwei Jahren alle Websites wieder aussehen wie die ersten Elaborate aus Mainz. Dann wird natürlich alles wieder gut.
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(Harald Taglinger)