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D: Facebook drohen 300.000 Euro Bußgeld

DATENSCHUTZ
07.07.2010

Die Hamburger Datenschutzbehörde leitet ein Bußgeldverfahren gegen Facebook ein. Denn die "Friend Finder"-Funktion des Sozialen Netzwerks verstößt gegen das deutsche Datenschutzrecht. Facebook drohen nun bis zu 300.000 Euro Bußgeld.

Bereits im Februar hatten deutsche Datenschützer von dem US-Unternehmen Aufklärung darüber verlangt, wie es mit personenbezogenen Daten umgehe. Doch bei einem reinen Informationsaustausch belässt es der für Facebook zuständige Hamburger Landesdatenschützer Johannes Caspar angesichts der "Friend Finder"-Funktion nicht mehr. Er leitete am Mittwoch ein Bußgeldverfahren ein. Bis zu 300.000 Euro kann das Facebook nun kosten.

Der Fall ist der erste, in dem deutsche Datenschützer eine Firma mit Hauptsitz in den USA ins Visier nehmen. "Das Verfahren wird zeigen, ob deutsches Datenschutzrecht wirksam durchsetzbar ist. Das wird mit Sicherheit kein leichtes Spiel sein", sagte Caspar. Zahlt Facebook das Bußgeld, erkennt es damit an, dass es etwas Unrechtmäßiges getan hat. Würde das Unternehmen hingegen die Zahlung des Bußgelds verweigern, würde es damit auch infrage stellen, dass das deutsche Datenschutzrecht auf seine Aktivitäten anwendbar ist.

Abgleich von Mail-Adressen

Der Social-Network-Dienst bietet über "Friend Finder" seinen Mitgliedern an, alle E-Mail-Kontakte an Facebook zu übertragen, um somit Freunde auf Facebook schneller ausfindig machen zu können. Damit weiß Facebook nicht nur, welche E-Mail-Kontakte das Mitglied pflegt. Es kann auch im Umkehrschluss herausfinden, über welche Facebook-Kontakte Nichtmitglieder verfügen.

Anders als Xing und studiVZ belässt es Facebook allerdings nicht bei diesem Service. Es nutzt die hochgeladenen Mail-Adressen, um an Nichtmitglieder automatisiert Einladungsmails zu verschicken. Diese stammen scheinbar von ihnen bekannten Mitgliedern. In solchen Mails werden weitere "Freunde" des Nichtmitglieds aufgelistet, die dem Mitglied, in dessen Namen die Werbemail versandt wurde, mitunter nicht einmal bekannt sind. Facebook selbst bestätigte die Praxis: "Nutzer können ihre Freunde einladen, indem sie die E-Mail-Adressen aus ihrem Adressbuch hochladen und an die Personen auf dieser Liste Einladungen verschicken lassen."

"Unzulässige Direktwerbung"

Caspar kritisierte, dass den Kontakten nur ein von Facebook vorgegebener Einladungstext zugesandt werde: "Eine Zurechnung der Einladung zum Nutzer, von dem die Adressen stammen, ist daher zweifelhaft, und möglicherweise liegt dadurch bereits eine unzulässige Direktwerbung vor." Die Einladungsmails will Facebook allerdings nur dann verschicken, wenn es vom Nutzer dazu ausdrücklich beauftragt wird. Damit wälzt Facebook die Verantwortung auf die Mitglieder ab, die streng genommen nun jeden einzelnen ihrer Kontakte um Einwilligung bitten müssten.

Facebook bietet ein Tool im Hilfebereich und in den Datenschutzrichtlinien an, mit dem eine von jemand anderem über den "Kontakte-Uploader" hochgeladene E-Mail-Adresse wieder gelöscht werden kann. Jemand, der keine Einladungen mehr erhalten möchte, kann einen "Unsubscribe"-Button anklicken. Danach verschickt Facebook auch dann keine Einladungen mehr an diese Mail-Adresse, wenn sie später von jemand anderem wieder hochgeladen wird. Allerdings heißt das auch, dass Facebook sich diese Mail-Adresse erst einmal merkt. Nichtnutzer können ihre E-Mail-Adresse dennoch löschen, indem sie auf einen Link in den öffentlich zugänglichen Facebook-Datenschutzrichtlinien im Abschnitt "Ansehen, Ändern oder Entfernen von Informationen durch dich" klicken.

Wissen über Beziehungsnetzwerke

Das scheint den deutschen Datenschützern nicht zu genügen: Caspar verlangte bereits im Frühjahr von Facebook, "die Praxis einzustellen und die Daten nicht länger bei sich zu speichern". Problematisch findet Caspar an "Friend Finder", dass hier Nichtmitglieder von Facebook betroffen seien, "die sich nicht organisieren können und daher keine Lobby haben". In Deutschland gibt es bereits rund zehn Millionen Facebook-Mitglieder.

"Wenn jeder seine E-Mail-Adressbücher hochladen würde, könnte Facebook Beziehungsprofile zwischen jedem einzelnen Bürger des Landes erstellen", sagte Caspar. "Das ist eine beunruhigende Vorstellung."

Zeit bis zum 11. August

Auch andere Online-Plattformen bieten ihren Mitgliedern an, Kontakte über einen Adressbuchabgleich zu finden. Darunter befinden sich nicht nur Social Networks, sondern auch Anbieter von Web-Mail- und Instant-Messaging-Diensten. Mobilfunkunternehmen wie der Netzwerkausrüster Comverse werben ebenfalls damit, dass sich der "soziale Graph", also das Beziehungsnetz der Mobilfunk-Nutzerschaft, auf optimales Marketing hin auswerten lässt. Es könnte nun sein, dass nach dem Hamburger Vorstoß auch anderen Anbietern Bußgeldverfahren ins Haus stehen, wenn sie Adressdaten dauerhaft bei sich speichern.

Der Hamburger Landesdatenschützer setzte Facebook im Frühjahr eine Frist, diese Praxis zu ändern. Nachdem Facebook Zeit- und Gesprächsbedarf anmeldete, verlängerte er Mitte Mai die Frist um weitere drei Wochen. Auch diese ist inzwischen abgelaufen, weshalb Caspar nun das Bußgeldverfahren eröffnete. Facebook hat jetzt bis zum 11. August Zeit, um etwaige Einwände zu erheben und entlastende Momente einzubringen.

Bußgeld droht

Diese könnten darin bestehen, die Datenschutzanforderungen umzusetzen und die Speicherung von Drittdaten zu unterlassen. Caspar erwartet nun "eine Auseinandersetzung mit unseren Rechtsregeln - und eine umgehende Veränderung des Zustands". Mit dem Bußgeld ist das Instrumentarium der Datenschützer noch nicht ausgeschöpft - sie können letzten Endes sogar eine Einstellung des Dienstes verlangen.

In Hamburg ist derzeit auch ein Strafverfahren gegen Google anhängig. Wird dieses eingestellt, könnte es ebenfalls ein Bußgeldverfahren wegen des Scannens von privaten WLAN-Daten im Rahmen des Street-View-Projekts geben. Google hat bisher den Datenschützern noch nicht die verlangten Daten geliefert. Caspar will nämlich "dasselbe haben wie die französischen Behörden", und zwar alle im Land erfassten Daten. "Wir sind gespannt, ob Google die zugesagte Transparenz gewährt", so Caspar.

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(Christiane Schulzki-Haddouti)