Real ID: Kampf um die Anonymität im Netz
Blizzards Plan, Postings in den Foren zu seinen Spielen "World of Warcraft" und "Starcraft 2" nur noch unter echtem Namen (Real ID) zulassen zu wollen, spaltet die Nutzer und die Community Manager. Im Rahmen der Games Convention Online (GCO) diskutierten sie am Freitag in Leipzig darüber, wie man Foren und die Teilnehmer besser managen könnte. Mittlerweile ist Blizzard wieder zurückgerudert.
"Ich wusste, dass die Frage kommen würde", sagte Donna Prior, freiberufliche Community Managerin unter anderem bei "Star Wars: The Old Republic", als bei der Fragerunde am Ende ihres Vortrags auf der Community Manager Conference die Sprache auf das Thema Real ID kam. "Ich mag die Idee nicht."
Seit einigen Tagen sorgte Blizzards Plan, in den Foren zu seinen Spielen "World of Warcraft" ("WoW") und "Starcraft 2" Postings nur noch unter dem echten Namen der Nutzer zuzulassen, für helle Aufregung in der Community. Blizzard hoffte, mit der Maßnahme schlechtes Verhalten in den Foren verhindern oder zumindest vermindern zu können. Kritiker hielten dem entgegen, dass anhand der Daten unter anderem jederzeit rückverfolgt werden könne, wer wann in welchem Forum aktiv war und welches Game die Person gerade spielt.
Mittlerweile wurde bekannt, dass Blizzard von diesem ursprünglichen Plan wieder abgerückt ist. In einem Posting im offiziellen Forum erklärte Blizzard-Chef Mike Morhaime am Freitagabend, dass die Nutzung des Klarnamens vorerst nicht Bedingung für das Posten in den Foren sei. Andere Features der angekündigten Foren-Neuorganisation werden hingegen implementiert, wie etwa ein Beurteilungssystem für Postings. Unabhängig davon wird der Einsatz einer Real ID in den Spielen selbst, derzeit in "WoW" und später in "Starcaft 2", eine Option sein.
Trolle vs. Datenschutz
Die Ausforschbarkeit ist für Prior der Hauptgrund, warum sie die ursprünglich angedachte Form von Real ID ablehnt, obwohl sie die "WoW"-Foren persönlich "grauslich" findet. "Es gibt immer noch Vorurteile gegen Spieler - was ist etwa, wenn jemand krank zuhause liegt und in einem Forum postet und diese Postings dann gegen ihn verwendet werden?" Der Schutz der Daten sei außerdem gerade bei Frauen und Kindern besonders wichtig: "Auf der einen Seite achten wir darauf, dass Kinder nicht zu viele Daten von sich ins Netz stellen, auf der anderen Seite sollen sie mit dem Klarnamen posten?"
In ihrem Vortrag betonte Prior, wie wichtig es sei, die Community und die einzelnen Mitglieder in den Foren aktiv und direkt anzusprechen und einzubeziehen, um Beschimpfungen in den Foren zu reduzieren. Das Posten mit Klarnamen ist jedoch keine Option für sie - auch wenn Blizzard bei seinen Foren unbedingt aktiv werden müsse: "Sie bemühen sich wirklich, aber ihre Foren sind mit dem Spiel zu schnell gewachsen. Erst letzte Woche habe ich darüber diskutiert, dass etwas geschehen muss - dass der Plan so drastisch ist, habe ich allerdings nicht erwartet."
Mehr Verantwortung von den Nutzern
Sean Kauppinen, Chef und Gründer der International Digital Entertainment Agency und seit Jahren in der Branche als Berater tätig, kann der Idee schon mehr abgewinnen - aber auch er sieht den Datenschutz als kritischen Punkt. "Es ist zwar gegen die Nutzungsbestimmungen, Leute auszuforschen, aber natürlich kann es passieren, dass jemand eine andere Person ausforscht." Auf der anderen Seite zwinge die Idee, mit Klarnamen zu posten, die Leute verantwortungsbewusster mit ihrem digitalen Auftritt umzugehen: "Wenn man weiß, wer die Person hinter einem Account wirklich ist, wird sich diese anders verhalten und versuchen, authentisch und glaubwürdig aufzutreten."
Kauppinen macht keinen Hehl daraus, dass er gut mit weniger Trollen, also Unruhestiftern, in den Foren leben könnte, aber er sei sich nicht sicher, wie Real ID mit dem Datenschutz grundsätzlich vereinbar sei. "Es kann auch sein, dass jemand einen wichtigen Kommentar nicht abgibt, weil er diesen nicht unter seinem echten Namen posten möchte, um damit auch später nicht aufgefunden zu werden."
"Datenschutzrechtlich sehr schwierig"
Für Rechtsanwalt Kai Bodensiek ist Blizzards Plan in Europa ohnedies nicht so einfach umsetzbar: "Datenschutzrechtlich gibt es da Riesenprobleme, das ist sehr schwierig." Das deutsche Telemediengesetz (Paragraf 13, Absatz 6) etwa besage, dass ein Diensteanbieter von Telemedien verpflichtet ist, seinen Nutzern die Nutzung und Bezahlung seiner Dienste anonym zu ermöglichen, so weit dies technisch möglich ist und - "jetzt kommt der springende Punkt" - zumutbar ist. "Hier kommt es, wie so oft im Recht, zu einer Interessensabwägung zwischen den Nutzern und dem Betreiber des Forums, das ist keine einfache Diskussion."
Auch Bodensiek argumentiert, dass die Nutzer über ihren Klarnamen leicht ausforschbar seien, über die Intensität der Forumsnutzung ließen sich außerdem Rückschlüsse auf die spielerischen Aktivitäten ziehen und wenn ein Nutzer etwa während der Arbeitszeit poste, könnte ihm das auch zum Verhängnis werden. "Wir haben ja dieses schöne Beispiel im Forum gesehen, wo ein Moderator seinen Echtnamen gepostet hat und binnen einer halben Stunde waren Fotos von seinem Haus da, und man wusste, wer da aller wohnt. Das sind Dinge, die ein Nutzer - je nach Abwägung - möglicherweise nicht hinnehmen muss."
Grundsatzdiskussion über Spielerdaten
Dass Blizzard die Foren nicht mehr öffentlich zugänglich mache, sei keine Option - dazu sei die Community zu wichtig. "Das kann sich auch Blizzard nicht leisten, seine Nutzer so vor den Kopf zu stoßen. Und sie werden eine Austauschplattform für ihre Kunden auch nicht Dritten überlassen." Sehr wohl vorstellen kann sich Bodensiek, dass das Posten mit dem echten Namen optional und nur in bestimmten Foren möglich ist - wie jetzt auch von Blizzard bekanntgegeben. "Wichtig ist, dass die Grundsatzverpflichtung heißt, diesen Dienst auch in einer anonymisierten Form anzubieten - das ist der im deutschen Gesetz vorgesehene Standardfall", so Bodensiek.
Das Problem sei allerdings, dass es dazu keine Rechtssprechung gebe und so sich nicht ein Konsumenten- oder Datenschützer des Themas annehme, werde es wohl auch so schnell kein Urteil geben, da Privatpersonen die Mühen und Kosten einer Klage nur selten auf sich nehmen würden. "Eigentlich ist das aber auch eine gute Grundlage, sich einmal eingehend mit der Frage zu beschäftigen, welche Daten ich bei solchen Online-Spielen in Zukunft gerne veröffentlichen möchte und welche nicht", meint Bodensiek.
(futurezone/Nadja Igler)