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"Streaming ist der MP3 überlegen"

MUSIK
22.07.2010

Wenn es nach den Gründern der Musikdienste Spotify und Simfy geht, soll das Herunterladen einzelner Sound-Dateien bald der Vergangenheit angehören. ORF.at hat mit mehreren Anbietern von Online-Musikdiensten darüber gesprochen, ob Streamingdienste tatsächlich das Potenzial haben, den Musikdownload in den Hintergrund zu drängen. Mit Apps für Mobilgeräte wollen die Dienste ihre Attraktivität weiter steigern.

"Die MP3-Datei ist zur URL geworden", sagte Daniel Ek, Mitbegründer des Musikdienstes Spotify, vergangene Woche der britischen Zeitung "Telegraph". Diese URL werde verschickt, und der Adressat wisse sofort, worum es geht, und könne die Musik direkt anhören. "Musik muss wie Wasser fließen. Sie muss allgegenwärtig sein", so Ek. Das Versenden von Webadressen (URLs) soll laut Ek den Transfer von MP3- und AAC-Dateien ersetzen.

Das Spotify-Modell im Detail

Spotify-Nutzer, die für dieses Service nichts bezahlen wollen, können kostenlos 20 Stunden Musik pro Monat konsumieren, wenn sie dafür Werbeschaltungen in Kauf nehmen. Gegen eine geringe monatliche Gebühr ermöglicht Spotify Werbefreiheit.

Gegen eine weitere Gebühr lässt sich das Musikangebot von Spotify auch offline - allerdings verschlüsselt - speichern und via "App" am Mobiltelefon (derzeit auf iPhones, Android- und Nokia-Modellen) nutzen.

Streamingdienst Simfy in Österreich verfügbar

Ek hat mit Spotify einen Musikdienst ins Leben gerufen, mit dem Nutzer online per Streaming auf Musiktitel zugreifen, Playlists erstellen und diese mit Freunden teilen können.

In Österreich ist der Musikdienst bisher allerdings nicht verfügbar. Neben Schweden ist Spotify bisher in Finnland, Frankreich, Norwegen, den Niederlanden, Spanien und England gestartet. Laut Ek hat sein Dienst zudem bereits eine halbe Million zahlender Abonnenten.

Einen ähnlichen Dienst, der in direkter Konkurrenz zu Spotify steht, gibt es auch in Österreich. Mit Simfy lässt sich auf insgesamt 6,2 Millionen Musiktitel per Stream zugreifen. Auch das Geschäftsmodell ist ähnlich - Premiumkunden können ebenso wie bei Spotify den Dienst auf dem Smartphone (iPhone und Android-Modelle) nutzen.

Musikstreaming im Aufwind

Laut Eric Garland, Gründer des US-Marktforschungsunternehmens BigChampagne, nutzen Menschen in den USA zunehmend Plattformen wie YouTube und MySpace Music für das Musikstreaming.

"Die Anzahl der Abrufe kann sich in manchen Fällen mit P2P-Netzwerken messen und lässt den CD- und Download-Verkauf, aber auch das Radio weit hinter sich. Diese Dienste haben einen großen Einfluss darauf, wie wir Musik konsumieren", so Garland.

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"Streaming ist im Komfort überlegen"

Christoph Lange, CEO von Simfy, ist ebenso wie Ek davon überzeugt, dass Streamingmodelle langfristig MP3s ersetzen werden, da die Musikfiles nur noch innerhalb der neuartigen Musikdienste abgerufen werden können. "Wir sehen klare Vorteile. Streaming ist im Komfort überlegen, weil man direkt loshören kann. Man ist nicht mehr von einer bestimmten Festplatte oder einem Rechner abhängig", so Lange gegenüber ORF.at.

"Es gibt zwar auch noch CDs und Leute, die diese kaufen, auch ein Markt für Vinylschallplatten existiert noch, aber die Wachstumsraten von Streamingangeboten im Vergleich zu klassischen Downloadportalen sind enorm", erklärt Lange.

"Verbindungen derzeit noch nicht optimal"

Georg Hitzenberger, Gründer der auf Stream basierenden Plattform für elektronische Musik Play.fm, sieht den Anteil von Menschen, die Inhalte aus dem Netz streamen, zwar ebenfalls kontinuierlich steigen. Hitzenberger glaubt aber nicht daran, dass man in naher Zukunft ganz ohne Downloads auskommen werde. "Unsere Nutzer würden sich sehr freuen, wenn sie die DJ-Sets herunterladen könnten", meint er.

"Die Verbindungen sind derzeit noch nicht flächendeckend optimal. Im Moment kann man sich unterwegs als Konsument noch nicht durchgehend darauf verlassen, dass Streaming funktioniert", so der Gründer des in Wien beheimateten Angebots. Caching helfe zwar bei vorübergehenden, kurzen Aussetzern, aber bei längeren Unterbrechungen seien das eher "unangenehme Konsumentenerfahrungen".

Erste Tests der hauseigenen Play.fm-App für das iPhone in der Wiener U-Bahn seien jedoch positiv ausgefallen, so Hitzenberger. Die Musikplattform für DJ-Sets soll im Herbst sowohl eine eigene Android- als auch eine iPhone-App bekommen, die künftig für Premiumuser gegen eine geringe Gebühr nutzbar sein wird.

Offlinemodus als Übergangslösung

Da die Netzabdeckung derzeit noch nicht überall für Streaming ausreichend ist, haben sich Dienste wie Spotify und Simfy eine Zwischenlösung einfallen lassen. Beim Premiummodell lassen sich bei beiden Diensten Playlists auch offline anhören. Dabei werden die Tracktitel verschlüsselt zwischengespeichert und sind nicht in einem lokalen Desktop- und Handyfolder abrufbar, sondern nur innerhalb des Musikclients verfügbar. Die Musiktitel lassen sich zudem nicht kopieren, sondern werden nur innerhalb der Playlist angezeigt. Die Playlists können im Offlinemodus bis zu 30 Tage lang unbegrenzt oft angehört werden, danach müssen sich die Nutzer erneut online einloggen.

Auch für die Play.fm-App sei ein Offlinemodus angedacht, so Hitzenberger. Für Hitzenberger ist dabei allerdings die Trennung zwischen Streaming und Download "technisch gesehen sehr unscharf". Auch beim Streaming werde zwischengespeichert, aber die "Offlineverfügbarkeit" sei an und für sich kein reines Streaming mehr und komme eher einem Download gleich, auch wenn der Titel dabei nicht lokal auf dem Desktop abgespeichert und kopiert werden kann.

Datenflatrates für mobile Musik-Apps ausreichend

Beim Streaming eines 30-minütigen DJ-Mixes, der mit 128 kbit/s übertragen werde, würden etwa 30 MB an Daten anfallen. "Bei den in Österreich gängigen Datenflatrates kann man da schon einige Stunden pro Monat mobil am Handy Musik hören", zeigte sich Hitzenberger mit den heimischen Datentarifen zufrieden.

Auch Lange von Simfy ist mit den Angeboten der Netzbetreiber im Bezug auf mobile Datenflatrates weitgehend zufrieden. "An unseren Statistiken merken wir, dass viele unserer Nutzer über die Handy-App zugreifen." Bei der Streamingqualität hoffe man darauf, dass die Netzabdeckung möglichst rasch erweitert werde. "Wir haben auf der Autobahn bei 160 km/h (in Deutschland, Anm.) allerdings schon öfters eine ruckelfreie Übertragung erlebt", so Lange.

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Besitz von Musik nach wie vor "stark ausgeprägt"

Hans-Jörg Posch vom Wiener Start-up tunesBag, bei dem man eigene Musiktitel online speichern, verwalten und anhören kann, ist der Überzeugung, dass es nach wie vor auf den Bezug zu Musik im Allgemeinen und zu bestimmten Tracks im Speziellen ankomme, ob Menschen künftig auf lokal abspeicherbare Dateien verzichten können. "Wenn mir die Kollektion wirklich wichtig ist oder ich Fan eines bestimmten Künstlers bin, will ich die Diskografie auch gerne besitzen. Bei Chartsmusik reicht mir ein Streamingangebot im Regelfall allerdings völlig", so Posch.

"Es gibt nach wie vor eine kritische Masse an Nutzern, die Musik auch gerne besitzt. Außerdem bieten Streamingkataloge oft auch nur eine begrenzte Auswahl an Tracks", ergänzt er. Auch Walter Gröbchen von Monkey Music denkt, dass der Besitzdrang von Musik nach wie vor "so irrational wie ausgeprägt" sei, auch wenn es sich nur um virtuelle 0/1-Ketten handle.

"Leute werden weiterhin Musik genießen"

"Ich besitze Musik ja auch, wenn ich darauf per Streaming zugreife", versucht Lang etwaige Argumente zu entkräften. "Man kann auch eine Playlist oder eine digitale Plattensammlung besitzen. Das Wichtigste ist außerdem die emotionale Verbindung zur Musik, und die geht beim Streaming nicht automatisch verloren."

Auch dass Musik durch Streamingdienste weiter an Wert verlieren werde, glauben Betreiber sowie Nutzer von Diensten wie Spotify und Simfy nicht.

"Die haptischen Elemente werden in der Musik genauso wie in vielen anderen Bereichen zunehmend verschwinden, aber das ändert nichts daran, dass die Leute auch weiterhin sehr gerne Musik genießen", meint Posch von tunesBag. Es würden sich lediglich die Nutzungsszenarien verändern, aber kein Wertverlust stattfinden.

"Jeder sollte seine Musik mit seinen eigenen Werten versehen dürfen und nicht grundsätzlich jedem Musikstück einzeln einen monetären Wert zuweisen müssen", meint auch Robert Agthe, Betreiber des Musiklabels Producer Network und aktiver Spotify-Nutzer der ersten Stunde.

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(futurezone/Barbara Wimmer)