Afro Pixel: Aufbruchstimmung in Westafrika
In der Weltmetropole Dakar, am westlichsten Zipfel des afrikanischen Kontinents, gibt es eine überschaubar kleine, jedoch sehr aktive Szene, die Kunst und Informatik – im Sinne des gesellschaftlichen Fortschritts – zu verbinden sucht. Hier finden Open-Source-Ansätze und Medientheorie ebenso zueinander wie traditionelle Musik und neue Technologien.
Am Sonntag in "matrix"
Den Radiobeitrag zu diesem Thema hören Sie am Sonntag, dem 8. August 2010, um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Zentrum der Netzkulturaktivitäten in Senegals Hauptstadt Dakar ist die Organisation Kër-Thiossane. Hier wird mit für europäische Verhältnisse bescheidenen Mitteln an Modellen für die digitale Zukunft Afrikas gearbeitet, unter Einbeziehung von Künstlern und von der lokalen Bevölkerung, und in Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten in aller Welt.
Denn Afrika – so die Überzeugung der Kër-Thiossane-Organisatoren – kann aus dem passiven Konsum westlicher Technologien und Programme heraustreten, wenn Kreativität mit neuen Medien gefördert und Grundlagen von Informationstechnologie vermittelt werden. "Es ist eine kleine Institution, die viele Leute zusammenbringt und enorm viel erreicht", sagte der südafrikanische Künstler Stephen Hobbs, "sehr gute Energie für Afrika!"
Festival für afrikanische Medienkunst
Medienkunst, Performance, Tanz, Informatik, Bildende Kunst, Video und Volksbildung bringt Kër-Thiossane unter ein Dach. Im Mai 2010 hat die Organisation – zum zweiten Mal – im Rahmen der Dakar-Biennale das Festival Afro Pixel organisiert. Transkultureller Austausch, Kollaboration, Interdisziplinarität, Partizipation und soziales Engagement – alles das, was sich europäische Kulturorganisationen gerne auf den Hut schreiben, wird hier mit zwangloser Selbstverständlichkeit praktiziert.
Zu Gast waren Künstler, Wissenschaftlerinnen, Theoretikerinnen und Informatiker aus ganz Afrika. Der Kongolese Jean Katambayi Mukendi hat für drei Wochen das Kër-Thiossane-Atelier in Dakar bezogen, sonst lebt der Künstler in Lumbumbashi in der Demokratischen Republik Kongo. Seine Kunstwerke sehen aus wie Maschinen aus Pappkarton, seine Zeichnungen ähneln Schaltplänen. Für seine Ausstellung in Kër-Thiossane arbeitet er an einer Konstruktion, die er "Simulen" nennt. Die Kartonmaschine simuliert Infrastruktur- und Versorgungsprobleme, die im Kongo zum Alltag gehören, sagt Jean Katambayi Mukendi.
Open-Source-Programme in der Lehre
Schwerpunkt des diesjährigen Afro-Pixel-Festivals, einer der Höhepunkte der Biennale, war Do-It-Yourself, auf Französisch: "Faites-le vous meme". Jean-Noel Montagne lebt im französischen Nizza und beschäftigt sich als Künstler mit interaktiven Technologien. In Dakar ist er zu Gast, um einen Workshop abzuhalten.
Einer Gruppe bestehend aus Wissenschaftlern, Künstlern, Studenten und Informatikern stellt Jean-Noel Montagne im Rahmen von Afro Pixel einen von ihm mitentwickelten Lehrkoffer für interaktive Technologien vor, den Valise Pedagogique Creation Interactive. Gearbeitet wird auch hier mit Open-Source-Programmen.
"Bisher galt, dass afrikanische Länder kaum Technologien oder Inhalte hervorbringen", so die Leiterin von Kër-Thiossane, Marion Louisgrand. "Der Gebrauch des Internets ist weitgehend passiv – man konsumiert, chattet, lädt sich amerikanische Rap-Musik herunter. Wir wollen einen anderen Zugang vorschlagen. Die Leute können mitbestimmen, was im Netz passiert und welche Richtung die Entwicklung einschlägt. Dazu braucht man keine Hightech-Ausrüstung, man kann ganz nah an der Realität und am Alltag bleiben. Ich glaube, dass daraus eine eigenständige, afrikanische Praxis und Ästhetik entstehen kann – langfristig gesehen."
(matrix/Anna Soucek)