© Fotolia/hans12 , Relaxed vor dem Fernseher liegender Mann

Der "Krieg" der Boxen

NEO-TV
14.08.2010

Apple arbeitet in aller Stille an einem neuen Netz-TV-Gerät unter dem Namen iTV. Konkurrenz droht dem kalifornischen Unternehmen von Google, Sony und Boxee sowie neuen Technologien, die derartige Geräte komplett obsolet machen könnten.

Eines muss man ihm lassen: Steve Jobs besitzt ein Pokerface wie kaum ein anderer. So wiederholte der Apple-Chef Anfang Juni während einer Konferenz des "Wall Street Journals" ("WSJ") ein altbekanntes Mantra seiner Firma: Das vor vier Jahren vorgestellte Apple-TV-Endgerät sei für den Konzern nur ein Hobby. "Ich bin mir sicher, dass klügere Menschen als wir dafür irgendwann eine Lösung finden werden", so Jobs. Derzeit sei es jedoch unmöglich, im TV-Bereich mit derartigen Produkten erfolgreich zu ein.

Zur Person:

Janko Röttgers ist Experte für digitale Medien und arbeitet als Redakteur des Onlinemagazins Newteevee.com in San Francisco.

In den nächsten Wochen wird er im Rahmen der futurezone.ORF.at-Serie "Neo-TV" von der schönen neuen Onlinefernsehwelt berichten. Die Artikelübersicht ist unter der folgenden Adresse abrufbar:

Doch während sich Jobs im Dementi übt, bereitet Apple zahlreichen Berichten zufolge unter dem Namen iTV ein neues Apple-TV-Gerät vor, das noch im Herbst für knapp 100 Dollar auf den US-Markt kommen könnte. Das Gerät soll lediglich Flash-Speicher besitzen und die meisten Inhalte als Stream aus dem Netz beziehen. Für die Software setzt Apple Berichten zufolge auf iOS, das Betriebssystem des iPhones. Damit wird es der Firma möglich sein, ihren lukrativen iTunes-App-Store auf den Fernseher auszuweiten. Denkbar wären beispielsweise Anwendungen von Inhalteanbietern wie Hulu und Netflix sowie Videospiele und interaktive Magazine.

Apple verhandelt zudem nach Informationen von Brancheninsidern mit Fernsehsendern und Hollywood-Studios, um seinen Nutzern Folgen aktueller TV-Shows für 99 Cent pro Episode anzubieten. Ein Preispunkt, der schon dem iPod zum Erfolg verhalf.

TV-Geräte auch von Google

Apple steht mit seinem iTV jedoch nicht alleine da. Konkurrenz wird die Firma unter anderen von Google bekommen. Der Suchmaschinenriese kündigte im Mai seine eigene TV-Plattform namens Google TV an, die auf dem erfolgreichen Android-Betriebssystem basiert. Google verfolgt dabei wie schon im Mobilfunkbereich eine komplett andere Strategie als Apple. Während Jobs auf die Exklusivität seiner eigenen Produkte setzt, will Google auf möglichst vielen Endgeräten von verschiedenen Herstellern präsent sein. Den Anfang machen im Herbst TVs von Sony und eine Revue genannte Set-Top-Box von Logitech. Samsung meldete ebenfalls bereits Interesse an. Nächstes Jahr will Google sein TV-Betriebssystem zudem auch als Open Source allgemein zugänglich machen.

Wie Apples iTV setzt auch Google auf Applikationen für seine TV-Plattform. Ab Anfang 2011 sollen Google-TV-Nutzer Zugriff auf den Android-Marktplatz haben, um neue Applikationen auf ihren Endgeräten installieren zu können. Gleichzeitig will man jedoch auch das komplette Web auf den Fernseher bringen. Die Firma hat deshalb bereits damit angefangen, Webentwicklern zu erklären, wie sie ihre Sites und Webapplikationen für Google TV optimieren können.

Ein wesentliches Verkaufsargument von Google TV ist, dass Nutzer damit einfach zwischen traditionellen TV-Inhalten, Webinhalten und Applikationen hin und her springen können. Googles Suchtechnologie kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Ein simples Suchfeld macht es möglich, das Fernsehprogramm des Abends, YouTube-Videos und Inhalte von Amazon und Netflix gleichzeitig zu durchsuchen.

Geld mit Werbung und Webcams

Googles Motivation für Google TV ist eindeutig: Der Konzern will wie schon im Web und auf dem Mobiltelefon Geld mit Werbung verdienen. Google baute dazu in den letzten zwei Jahren eine Plattform zum Verkauf von TV-Werbung auf, die mittlerweile zwei großen Satellitenfernsehanbietern beim Verkauf von Werbeplätzen hilft. Die im Herbst im Handel erscheinenden Google-TV-Produkte werden der Firma dabei helfen, diese Clips noch genauer auf die Sehgewohnheiten und Interessen der einzelnen Zuschauer abzustimmen. Gleichzeitig bieten TV-Applikationen und Webdienste weitere Werbeplätze für Google. "Es gibt keinen größeren Markt als den TV-Markt", so Google-TV-Produktmanager Rishi Chandra anlässlich der Vorstellung der Plattform im Mai.

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Die Motive von Googles Partnern sind dagegen vielschichtiger. Sony geht es in erster Linie darum, auf dem lukrativen Heimelektronikmarkt nicht den Anschluss zu verlieren. Logitech erklärte jedoch kürzlich, dass man nicht mit dem Verkauf von Google-TV-Boxen reich werden wolle. Stattdessen will die Firma allen damit erwirtschafteten Profit direkt wieder in Werbung für die Plattform stecken. Geld verdienen will Logitech statt dessen mit dem Verkauf von Zubehör wie etwa HD-Webkameras für Videokonferenzen via Google TV. Auch der Verkauf von Google-TV-Applikationen ist offenbar angedacht. "Wir erwarten, dass dieses Zubehör für uns langfristig genau so profitabel sein wird wie unser PC-Zubehör", so Logitech-CEO Jerry Quindlen.

Der Preis von Logitechs Revue-Produkt und viele andere Details sind bisher noch unbekannt. Doch es wäre unfair, Google TV nur an seiner ersten Inkarnation zu messen. Als vor zwei Jahren mit dem HTC G1 das erste Handy mit Googles Android-Betriebssystem in den USA in den Handel kam, da wirkte das Gerät im Vergleich zum iPhone klobig und unbeholfen, und bei den Einzelhandelsfilialen des Mobilfunkpartners T-Mobile wartete man vergeblich auf die erhofften Käuferschlangen. Zwei Jahre später ist Android jedoch für Google ein voller Erfolg. Mittlerweile werden in den USA mehr Android-Mobiltelefone als iPhones verkauft.

Druck auf kleine Konkurrenten

Nachsehen beim zu erwartenden Konkurrenzkampf zwischen Google und Apple könnten andere Firmen haben, die mit ihren eigenen Produkten zum Einzug des Web-TVs ins Wohnzimmer beitragen wollen. So brachten die beiden Festplattenhersteller Seagate und Western Digital in diesem Sommer jeweils eigene Videoplayer auf den Markt, die Inhalte von lokalen Festplatten wie auch dem Web wiedergeben. Applikationen lassen sich darauf jedoch nicht installieren, und im Vergleich zu iTV und Google TV könnten derartige Geräte bald ziemlich alt aussehen.

Bessere Chancen haben möglicherweise Roku und Boxee. Der Set-Top-Box-Anbieter Roku hat sich in den letzten Jahren in den USA mit einer extrem einfach zu handhabenden und vergleichsweise günstigen Hardware einen Namen gemacht. Roku-Boxen gibt es bereits ab 70 Dollar. Für diesen Preis bieten sie Nutzern Zugriff auf Onlineangebote wie Netflix, Amazon und die Premium-Dienste diverser US-Sportveranstalter. Rokus Hardware bietet jedoch keinen Zugriff auf lokale Videodateien oder Webinhalte.

Ein kompletteres Angebot wird es für Nutzer der Boxee-Box geben, die im November von D-Link auf den Markt gebracht werden wird und auf Boxees Media-Center-Software basiert. Boxee setzt wie Google TV und iTV auf Applikationen, hat sich in der Vergangenheit aber als deutlich liberaler erwiesen als Apple. So gibt es via Boxee beispielsweise auch Anwendungen für pornografische Inhalte.

Kein Bedarf für Boxen

Unbewiesen ist bisher jedoch, ob Verbraucher überhaupt ein weiteres Endgerät unter ihrem TV wollen. Anbieter derartiger Set-Top-Boxen argumentieren gerne, dass viele Konsumenten erst kürzlich den Umstieg vom Röhrenfernseher zum Flachbildschirm gewagt haben. Kaum jemand wolle jetzt noch einmal tief in die Tasche greifen, um sich Webinhalte auf seinem Google-TV-Endgerät von Sony anzuschauen. Geräte wie Logitech Revue sollen deshalb moderne Web-TV-Plattformen erschwinglich machen.

Manch einer glaubt jedoch, dass es gar keinen Bedarf für zusätzliche Endgeräte gibt. So demonstrierte der Chiphersteller Broadcom diese Woche in San Francisco eine Technologie, die Webvideos vom Computer direkt zum Fernsehgerät weiterleiten. Broadcoms Inconcert Maestro empfängt dazu Streams von Hulu und YouTube und konvertiert sie in ein für den jeweiligen Fernseher kompatibles Format. Über eine P2P-Wifi-Verbindung wird das Signal dann direkt an das TV-Gerät weitergeleitet. Boxen, so Maestro-Erfinder Nijay Nagarajan, brauche es dafür keine.

(Janko Röttgers)