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"Zahlen für den Britney-Spears-Mindfuck"

POLITIK
20.08.2010

Das von den Grünen vorgeschlagene Modell einer "Kulturflatrate" für Inhalte aus dem Netz ist bei einer Diskussionsveranstaltung der Partei am Donnerstagabend in Wien auf wenig Gegenliebe gestoßen - auch vonseiten des Pirate-Bay-Mitgründers Peter Sunde.

Als die Grünen im Mai ihre Ideen zu einer Reform des Urheberrechts präsentierten, nahm die "Kulturflatrate" eine zentrale Position ein. "Die Einführung eines geringen monatlichen Aufschlags auf die Onlinegebühren ist die geeignete Anpassung an die digitale Revolution", hieß es in einem Grundsatzpapier der Partei. Mit der Gebühr in der Höhe von fünf bis zehn Euro pro Monat sollen Rechteinhaber für den Tausch ihrer Werke vergütet und der Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern ein Riegel vorgeschoben werden.

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Am Donnerstagabend luden die Wiener Grünen ins Wiener MuseumsQuartier (MQ), um die Vergütung von Künstlern in der vernetzten Welt zu diskutieren. Die "Kulturflatrate" stieß dabei bei den Diskussionsteilnehmern auf wenig Begeisterung.

Pirate-Bay-Mitgründer Peter Sunde startete vor kurzem auch den Onlinebezahldienst Flattr, der es Inhalteanbietern ermöglichen soll, im Netz Geld zu verdienen. Der Dienst, der sich selbst als Nischenangebot sieht, zählt bereits 35.000 Nutzer.

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Viele offene Fragen

"Ich mag die Idee überhaupt nicht", sagte Pirate-Bay-Mitbegründer und Flattr-Gründer Peter Sunde. Letztlich würde eine solche Gebühr nur der "sterbenden" Tonträgerindustrie helfen. "Das ist ihr Problem, nicht unseres", meinte Sunde: "Wir würden ja auch nicht die Ölindustrie subventionieren, wenn Autos plötzlich mit Wasser fahren würden." Darüber hinaus könne eine solche Gebühr auch nicht ohne die zur Verteilung der Einnahmen notwendigen Überwachung von Datenströmen verwirklicht werden. Auch die Frage der gerechten Verteilung sei nicht gelöst.

Dass es bei der "Kulturflatrate" viele offene Fragen gebe, räumte auch die grüne EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger ein. Die Grünen würden viele verschiedene Möglichkeiten diskutieren. Eine Vorbedingung sei, dass damit persönliche Datenschutzrechte nicht berührt werden.

Es sei möglich, den Tausch der Dateien anonym zu erheben, meinte der grüne Kulturreferent Thomas Geldmacher. Viele Details zu einer solchen Flatrate müssten noch diskutiert werden, gab auch Geldmacher zu bedenken: "Wir sehen derzeit aber keine Alternativen dazu."

"Lächerlich"

"Wir sind Opfer des Katers der Tonträgerindustrie", kritisierte der Medienforscher und Musiker Konrad Becker. Die Grünen sollten sich nicht darum kümmern, wie die Industrie Geld einsammeln könne, sondern politisch denken und die Frage stellen, wie kulturelle Arbeit ermöglicht werden könne. Eine "Kulturflatrate" wäre vor zehn Jahren gut gewesen, meinte Becker: "Heute ist sie lächerlich."

Markus Spiegel, Falco-Entdecker, Label-Betreiber und Starmania-Juror, hielt sich zur "Kulturflatrate" bedeckt. Vertreter der Tonträgerindustrie hatten sich in den vergangenen Jahren wiederholt ablehnend zu einem solchen Modell geäußert. Sie sehen darin eine "Zwangsgebühr", mit der anderen Vertriebswegen das Wasser abgegraben wird.

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Urheberrecht und Innovation

Neben der "Kulturflatrate" wurde an dem Abend aber auch Grundsätzliches verhandelt. Zu Beginn warf Marco Schreuder, Moderator und Abgeordneter der Wiener Grünen, die Frage auf, ob das Urheberrecht Innovationen verhindere.

Während der Musikmanager Spiegel das naturgemäß verneinte, stellte Sunde das Urheberrecht generell infrage. Das Urheberrecht diene nur dazu, um großen Unternehmen Profite zu verschaffen, komme aber weder der Gesellschaft noch der Kunst und Kultur zugute. Kunst und Kultur seien notwendig, um gesellschaftliche Prozesse zu verstehen, sie jedoch mit einem Preisschild zu versehen, sei albern.

Die EU-Abgeordnete Lichtenberger brachte die Urheberrechtsgesetzgebung in der EU zur Sprache und warnte vor dem Einfluss der Lobbyistengruppen der Unterhaltungsindustrie. Diese würden versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass Künstler ausschließlich mithilfe des Urheberrechts Geld verdienen würden. Das sei jedoch nicht der Fall.

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"Es geht um Kontrolle"

Die großen Unternehmen würden früh versuchen, die Definitionsmacht über die Gesetze zu erlangen. Das zeige auch das aktuelle Beispiel der Verhandlungen über das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA. Für das EU-Parlament sei es wichtig, dort einzugreifen, wo die Definitionen gemacht werden, sagte Lichtenberger: "Wir versuchen, das zu öffnen." Es sei nicht so, dass die Kunst mit dem Copyright falle. Die Rechteinhaber würden in vielen Fällen die Interessen der Künstler nicht berücksichtigen.

Bei der Urheberrechtsgebung gehe es immer auch um Kontrolle, sagte Lichtenberger. Die Argumente der Unterhaltungslobby für eine schärfere Urheberrechtsgesetzgebung würden auch von der Sicherheitsindustrie missbraucht, um Kontrolle über das Netz zu erlangen. Das sei das wirkliche Problem, mahnte Lichtenberger: "Dessen sollten wir uns bewusst sein."

"Von Unternehmenslobbyisten infiltriert"

Die EU sei komplett von Unternehmenslobbyisten infiltriert, meinte auch Becker. Die Politik hätten den großen Konzernen nichts entgegenzusetzen. Anstatt über kulturelle Praktiken zu diskutieren, würde darüber verhandelt, wie viel mit kulturellen Leistungen verdient werden könnte. Davon würden ausschließlich große Unternehmen profitieren: "Profite werden privatisiert, Verluste werden sozialisiert."

Spiegel argumentierte, dass die Musikkonzerne Talente aufbauen würden und brachte auch den Österreichischen Musikfonds zur Sprache, der mit jährlich 680.000 Euro österreichische Musikproduktionen fördert.

"Die Künstler sehen von dem Geld nichts", warf Becker ein. Es gehe nur um Marketinghypes und Gehirnwäsche: "Warum sollte ich für den Britney-Spears-Mindfuck bezahlen?"

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(futurezone/Patrick Dax)