3-D-Games: "Wir müssen noch viel lernen"
Als einer der Hauptinitiatoren des aktuellen 3-D-Booms bemüht sich Sony verstärkt darum, Entwicklern von Videospielen den rechten Umgang mit den neuen Systemen beizubringen. Laut dem Entwickler Mick Hocking von Sony geht es nicht nur darum, den Bilder mehr Tiefe zu verleihen, die zusätzliche Dimension verändere die ganze Bildsprache - bei Spielen, Filmen und im Fernsehen.
Am Sonntag in "matrix"
Den Radiobeitrag zu diesem Thema hören Sie am Sonntag, dem 29. August 2010, um 22.30 Uhr im Ö1-Netzkulturmagazin "matrix".
Seit Sony im Herbst letzten Jahres auf der Internationalen Funkaustellung (IFA) in Berlin den Neustart für 3-D im Wohnzimmer ausgerufen hat, scheint es bei den Herstellern kein Halten mehr zu geben. Immer mehr 3-D-fähige Fernseher, Kameras und Spielekonsole werden auf den Markt gebracht oder zumindest angekündigt.
Damit die Technik ihr Potenzial auch verwirklichen kann, braucht es die passenden Inhalte - die sind bisher noch rar. Zwar gibt es bereits einige Filme in 3-D und es kommen laufend neue in die Kinos, damit sich die Kunden einen der deutlich teureren Fernseher aber tatsächlich kaufen, braucht es noch mehr Überzeugungsarbeit - die sollen unter anderem Videospiele leisten. Bei den Konsolenspielen ist das Angebot in 3-D vergleichsweise dürftig, doch das soll sich demnächst ändern.
"Schnelles" 3-D als Herausforderung
Für Sonys PlayStation 3 (PS3) sollen bis nächsten Frühling etwa 20 3-D-Spiele auf den Markt kommen, darunter "Gran Turismo 5" und "MotorStorm: Apocalypse". Gerade Rennspiele und die damit verbundenen schnellen Bewegungsabläufe sind allerdings ein besonders schwieriges Terrain für 3-D-Systeme, wie auch Mick Hocking, unter anderem Chef des Entwicklerstudios Evolution Studios und damit verantwortlich für die Umsetzung von "MotorStorm: Apocalypse", zugibt.
"Es ist ähnlich wie das, was sie in der echten Welt erleben. Wenn sie mit einem Auto über 200 km/h schnell fahren, rast die Welt an ihnen vorüber und sie fokussieren nur auf einen kleinen Punkt vor ihnen – mehr kann ihr Hirn nicht verarbeiten", erklärt er die teilweise deutlich erkennbaren Unschärfen etwa bei schnell drehenden Reifen.
Die Trickkiste wird obsolet
Dennoch könne 3-D in Rennspielen sehr effektiv eingesetzt werden, so Hocking, dessen Team auch Simulatoren für Spitzen-Rennfahrer entwickelt. Diese würden alle nur mit stereoskopischen 3-D-Verfahren arbeiten, da die Fahrer nur so die ganzen Eindrücke wie in der richtigen Welt verarbeiten könnten. Die Profis bekommen allerdings über weitere Features wie Haptik und Vibration noch zusätzliche Informationen geliefert, um möglichst tief in die Szene hineingezogen zu werden.
Manche Tricks, die bisher in 2-D-Spielen für ein tieferes Spielerlebnis eingesetzt wurde, würden dafür in 3-D nicht mehr funktionieren oder überhaupt obsolet. "In einem Rennspiel haben wir bisher für mehr Intensität und das Gefühl von Geschwindigkeit beim Beschleunigen die Kamera nach hinten bewegt und den Fokus verengt. In 3-D müssen wir das nicht mehr tun, weil wir die Tiefe schon haben."
Mehr als nur räumliche Tiefe
3-D bedeute nicht, dass man einem Spiel damit einfach nur mehr räumliche Tiefe verleihe, laut Hocking gelte es noch viel mehr zu beachten, auch damit das Spiel für den Zuseher angenehm zu bedienen ist. Grundsätzlich könne man jedes 2-D-Spiel relativ einfach und kostengünstig in 3-D umsetzen, Sony konzentriere sich bei seinen Schulungen, für die er verantwortlich zeichnet, aber auf neue Spiele.
Es sei einerseits nicht immer einfach Code und Grafiken aus einem Spiel herausbekommen, andererseits auch sinnvoller, Spiele gleich in 3-D zu entwickeln, da sich mit der dritten Dimension die ganze Bildsprache ändere: "In einem Rennspiel muss man entscheiden, wo man das Fahrzeug platziert, wie man mit Tiefe umgeht und mit Teilen, die durch die Luft fliegen und sich aus dem Schirm heraus auf den Spieler zubewegen." Nicht jeder Effekt sei für jedes (Spiel-)Genre passend.
Negative Effekte
Auch Film- und Fernsehrstudios müssten sich an die neuen Möglichkeiten erst anpassen, erzählt Hocking. Beim Bezahlsender Sky etwa lerne man gerade, wie man die Bilder schneiden muss, welche Kameras und Kameraeinstellungen funktionieren - und welche nicht. Kameras, die aus der Vogelperspektive aufnehmen, würden etwa ein sehr flaches Bild liefern.
Vor allem die spektakulären Effekte, bei denen Gegenstände aus dem Bildschirm herausfliegen, könnten bei Übertreibung schnell als unangenehm und damit negativ wahrgenommen werden.
Zwischen Konvergenz und Fokus
Für den 3-D -Effekt bekommt jedes Auge ein anderes Bild angezeigt, wobei sich die beiden Bilder im dargestellten Blickwinkel nur minimal, analog zu unseren Augen, unterscheiden. Wird das rechte Bild nach rechts und das linke Bild nach links (positive Parallelachse) verschoben, verschwindet der abgegebildete Gegenstand im Monitor beziehungsweise "dahinter". Wird das linke Bild nach rechts und das rechte nach links verschoben (negative Parallelachse) tritt der Gegenstand nach "vorn". Dabei spielt auch der Unterschied zwischen Fokus (auf dem Schirm) und Konvergenz der Augen (auf dem Objekt) eine Rolle, der in der echten Welt so nicht vorkommt.
"Wenn ich es nun übertreibe und den Gegenstand etwa extrem nach vorne bringe, zwinge ich die Augen etwas zu tun, was sie nicht wollen", so Hocking. Auf einmal könne das Objekt nicht mehr gesehen werden, das Gehirn könne das Gesehene nicht mehr verarbeiten. Die Augen tun weh, der Zuseher erlebt 3-D als schmerzhaft. Seine Aufgabe sei es, den Entwicklern zu erklären, welche Techniken sie bis zu welchem Grad einsetzen können, so Hocking.
"Jahr Null für 3-D""
Grundsätzlich stehe die gesamte Industrie bei 3-D noch am Anfang: "Das ist das Jahr Null für 3-D in der Heimunterhaltung, wir müssen noch viel lernen." Wenn man 3-D richtig einsetze und hohe Qualität liefere, ermögliche man damit eine neue Form der Unterhaltung - das selbe gelte aber auch umgekehrt. Daher sei für ihn Aufklärung auch so wichtig: "Die Öffentlichkeit muss verstehen lernen, was hochwertiges 3-D bedeutet. Wenn sie schlechte Qualität sehen, werden sie es nicht genießen, ohne zu wissen warum. Und das ist eine Schande", so Hocking, der naturgemäß davon überzeugt ist, dass 3-D nun im Wohnzimmer endlich Erfolg hat.
(matrix/Nadja Igler)