NetzNetz geht in die nächste Runde
Nach einem "Reboot" im Jahr 2009 gelten für die öffentlichen Vergabewahlen für Fördergelder im Bereich digitaler Künste und Kulturen am Mittwoch in Wien neue Regeln. Die NetzNetz-Community darf nur noch über die Vergabe von 30.000 Euro selbst entscheiden. Auf dem Programm steht aber auch eine Debatte über Internetzensur.
Die Änderungen des selbstorganisierten Fördersystems für Netzkunst und -kultur durch die MA7 orientierten sich an einer vom Beratungsunternehmen FAS.research erstellten Studie, in deren Rahmen das partizipative Modell einer Evaluierung unterzogen wurde. Wesentlichste Konsequenz war, dass die direkte Mitbestimmung erneut wesentlich eingeschränkt wurde.
Nach der Neustrukturierung des Fördersystems durch die Kulturabteilung der Stadt Wien (MA7) im vergangenen Herbst (siehe linke Spalte) gibt es neue Vorgaben für die NetzNetz-Initiative, über die die Netzkultur-Fördermittel vergeben werden. Eine direktdemokratische Vergabewahl durch die Community selbst darf nur noch für Erstlingsprojekte erfolgen. Erstlingsprojekt bedeutet, dass die einreichende Person oder der Verein zuvor noch kein Geld aus dem Fördertopf erhalten haben darf.
Insgesamt stehen den Newcomern 30.000 Euro zur Verfügung, pro Projekt dürfen es jedoch maximal 3.000 Euro sein. Beim Start des Projekts NetzNetz im Jahr 2006 lag der Anteil, über den die Community via Vergabewahlen direkt entscheiden konnte, noch bei 350.000 Euro.
Die NetzNetz-Vergabewahlen 2010 finden am Mittwoch, den 8. September im Kunst- und Kulturraum mo.e in der Thelemangasse 4/1 in 1170 Wien statt. Die Veranstaltung beginnt um 16:30 Uhr. Näheres zum Programm auf der Website der Initiative.
24 eingereichte Projekte
Die Aufgabenstellung bei den zum achten Mal stattfindenden Wahlen lautet diesmal also, zehn der 24 eingereichten Projekte jeweils 3.000 Euro zukommen zu lassen. Wie bisher dürfen die Künstler selbst das ihrer Meinung nach beste Projekt wählen. Neu ist das Wahlmodell "Türme von Hanoi", bei dem die registrierten Wahlberechtigten die vorgestellten Projekte auf einem Stimmzettel priorisieren. "Das Ausprobieren von neuen Modellen ist auch ein Teil des Projekts NetzNetz", so Jury-Beisitzender Simon B. Häfele gegenüber ORF.at.
Die Personen, die sich bei NetzNetz angemeldet haben und als stimmberechtigt validiert wurden, erhalten einen Stimmzettel, auf dem sie die von ihnen präferierten Projekte im Sinne einer Rangliste eintragen können. Nach Wahlschluss werden alle Stimmzettel von der Wahlkommission ausgewertet. Die zehn höchstgereihten, d. h. mit den meisten Stimmen versehenen Projekte dürfen mit jeweils 3.000 Euro rechnen, so die Erklärung auf der Website der NetzNetz-Initiative.
Auszählungsperformance
Bisher richtete sich die Verteilung und Höhe des Fördergeldes an der Punktezahl, die die Projekte von den wahlberechtigten Fördernehmern erhielten. Je mehr Punkte, desto mehr Geld.
Nach der dreistündigen Wahl werden die Ergebnisse am Abend in Form einer Auszählungsperformance nach dem Algorithmus "Türme von Hanoi" durch die Wahloperatoren des "Direkt Wahl-Theaters" gezeigt, inszeniert von Thomas Jelinek.
"Selbstorganisation statt -verwaltung"
"Die Wahlen sind theoretisch verbindlich, wir haben aber leider nur ein Vorschlagsrecht, d. h., es erfolgt nur eine Empfehlung an die MA7", bedauerte Häfele. Die Ergebnisse würden am darauffolgenden Tag an die Magistratsabteilung weitergeleitet, die schließlich die Fördervergabe an das gewählte Projekt absegnen würde.
"Somit kann man nicht von Selbstverwaltung, sondern nur von Selbstorganisation sprechen", so Häfele. Denn die "Verwaltung" übernehme die MA7. Zwar seien die Anträge bei der MA7 eingereicht und von dieser geprüft und für die Wahl zugelassen worden, jedoch sei es bereits vorgekommen, dass ein Projekt vom Magistrat abgelehnt wurde, so Häfele, weil die Verwaltung etwa formale Fehler in den Anträgen festgestellt habe.
Impulsvortrag über Zensurinfrastruktur
Auch für Zeitgenossen, die stärker an Netzpolitik als an Netzkunst interessiert sind, lohnt sich ein Abstecher zu NetzNetz, denn für 20.00 Uhr ist ein Impulsvortrag von Andreas Lehner (CCC) über Zensurinfrastrukturen, Informationsfreiheit und freie Kommunikation mit anschließender Podiumsdiskussion angesetzt.
(futurezone/Claudia Glechner)