© ORF.at/Roland Winkler, Glücksspielautomat

Deutsches Glücksspielmonopol unzulässig

EUGH
08.09.2010

Das deutsche Monopol für Glücksspiel und Sportwetten ist unzulässig und gilt ab sofort nicht mehr, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden - wegen zu viel Werbung durch die Monopolisten. Diese hintertreibe die Argumentation für Monopole, damit die Spieler vor zu viel Glücksspiel zu schützen.

Die Monopolregelung des deutschen Staatsvertrages von 2008 sei "nicht mehr gerechtfertigt", erklärte der EuGH in den am Mittwoch veröffentlichen Urteilen. Sie verstoße gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit.

Die höchsten EU-Richter begründeten ihre Entscheidung mit der erheblichen Werbung, die die staatlich genehmigten Anbieter von Glücksspielen betrieben. Das Monopol diene also nicht mehr der Bekämpfung der Spielsucht, wie die staatliche Seite stets argumentiert hatte.

Die EU-Richter waren in insgesamt acht Fällen von Gerichten in verschiedenen deutschen Bundesländern angerufen worden, um vorzuentscheiden, ob die deutsche Monopolregelung mit dem EU-Recht vereinbar sei. Der Gerichtshof der Europäischen Union legte fest, dass die bisherige deutsche Regelung "nicht weiter angewandt werden darf", bis eine neue erlassen ist, die mit EU-Recht übereinstimme.

Werbung untergräbt vermeintlichen Schutzcharakter

Grundsätzlich dürfe ein EU-Land den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit beschränken, wenn damit beispielsweise die Spielsucht bekämpft werden soll, argumentierten die Richter. Mit einem Monopol sei dieses Ziel leichter zu erreichen als mit einer völligen Marktöffnung. Auch müssten nicht alle Glücksspiele gleich behandelt werden.

Nun müssen grundsätzlich deutsche Gerichte über die Klagen privater Anbieter gegen das Monopol entscheiden. Die Justiz habe aber Grund zu der Schlussfolgerung, dass "die deutsche Regelung die Glücksspiele nicht in kohärenter und systematischer Weise begrenzt". So betrieben die Inhaber der staatlichen deutschen Monopole "intensive Werbekampagnen, um die Gewinne aus den Lotterien zu maximieren". Sie entfernten sich damit "von den Zielen, die das Bestehen dieser Monopole rechtfertigen".

Abweichung vom Generalanwalt

Außerdem erlaubten die deutschen Behörden Kasino- und Automatenspiele, die nicht dem Monopol unterlägen, aber "ein höheres Suchtpotenzial aufweisen". Mit dieser Politik lasse sich "das präventive Ziel des Monopols nicht mehr wirksam verfolgen". Daher könne das Monopol nicht mehr gerechtfertigt werden.

Die EU-Richter wichen mit ihrem Urteil vom Gutachten des Generalanwaltes ab, dem sie in den meisten Fällen folgen. Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen das Monopol als gerechtfertigt bezeichnet, "sofern das dem Monopol unterliegende Spielangebot geringer ist, als es bei einem privaten Dienstleistungserbringer bestehen könnte".

"Wendepunkt" oder "stärkere Kontrolle"?

Die European Gaming and Betting Association (EGBA) hat die Entscheidung als Wendepunkt in der Rechtsprechung bezeichnet. Das Urteil werde entscheidenden Einfluss haben auf die in Deutschland nötige Reform des Glücksspielmarktes haben, erklärte EGBA-Generalsekretärin Sigrid Ligne am Mittwoch in Brüssel. "Andere EU-Staaten haben ihr System bereits geöffnet oder sind gerade dabei. [...] Diese Staaten zeigen, dass die Verbraucher in einem System, das gesetzlich geregelt und offen für den Wettbewerb ist, besser geschützt werden können."

Der Verband der staatlichen Lotterien in Europa sieht in dem Urteil keine Aufforderung für eine Liberalisierung des Glücksspielmarktes. "Im Gegenteil, er (der EuGH) hat Deutschland daran erinnert, dass es das Angebot von gefährlichen Formen von Glücksspiel wie Casino-Spiele und Glücksspielautomaten, stärker kontrollieren muss", heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Erklärung des Verbandes. Der EuGH habe "in keinster Weise für eine Liberalisierung" plädiert. Er habe auf hohe Risiken des Online-Glücksspiels hingewiesen und plädiere für ein strikteres Regelwerk, "wie es ein Monopol garantieren kann".

Die deutschen Lottoanbieter wollen naturgemäß ebenfalls grundsätzlich am Status Quo festhalten. "Wir vertrauen auf die Politik in Bund und Ländern, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, damit das in Deutschland bewährte Staatsvertragsmodell Bestand haben wird", heißt es in einer Erklärung des Präsidenten der Staatlichen Lotterieverwaltung Bayerns, Erwin Horak. Der EuGH habe klargestellt, "dass die EU-Mitgliedstaaten entscheiden können, ob sie ein Kommerzmodell oder ein am Gemeinwohl orientiertes Staatsvertragsmodell wollen".

Bwin sieht sich bestätigt

Der österreichische börsennotierte Onlinesportwettenanbieter bwin sieht sich in seinem jahrelangen Kampf gegen das Wettmonopol in Deutschland bestätigt. Dies sei nun eine "historische Chance, dass das Online-Glücksspiel in Deutschland zeitgemäß reguliert wird", erklärte Sprecherin Katharina Riedl. Bwin geht es neben der Aufhebung des Werbeverbots um klare rechtliche Rahmenbedingungen für seine Online-Plattform. Riedl: "Wir wollen Rechtssicherheit und dem Staat Steuern zahlen." In Italien und Frankreich habe man die Zeichen der Zeit bereits erkannt.

Auch bet-at-home spricht von einer "richtungsweisenden Entscheidung" und sieht für sich nun neue Wachstumschancen in Deutschland. Bet-at-home geht außerdem davon aus, dass die anhängigen Verfahren in Deutschland positiv ausgehen.

Der niederösterreichische Automatenkonzern Novomatic ortet in der von den EU-Richtern "erzwungenen Öffnung der Monopole in Deutschland ein weiteres Expansionspotenzial in den Segmenten Lotterien und Wetten". Der Anbieter rechnet damit, "dass nach dem heutigen Urteil die deutschen Lotterie- und Wettmonopole auf Landesebene im Kern reformiert werden müssen" und ein Konzessionssystem mit mehreren Anbietern eingesetzt werden muss.

Casinos Austria: Bestätigung für heimisches System

Der heimische Noch-Glücksspielmonopolist Casinos Austria sieht in dem EuGH-Spruch wiederum eine "Bestätigung für die Kohärenz des österreichischen Systems", wie Rechtsvorstand Dietmar Hoscher meinte. "Es kritisiert in Deutschland, dass dort Sportwetten, denen nur geringes Suchtpotenzial zugeschrieben wird, unter einem strikten Monopol stehen, während Casinos und Automaten, die als viel gefährlicher einzustufen sind, weitgehend liberalisiert sind." Das österreichische System entspreche dieser Intention des EuGH, "da Sportwetten liberalisiert und jene Marktsegmente mit größerem Gefährdungspotenzial streng reglementiert sind".

Ähnlich argumentiert Friedrich Stickler, Präsident der Europoean Lotteries und auch Vorstand der Österreichischen Lotterien: Der EuGH habe sich heute "in keinster Weise für eine Liberalisierung von Glücksspiel ausgesprochen", sondern Deutschland daran erinnert, dass es das Angebot von "gefährlichen Formen von Glücksspiel" wie Casinospiele und Automaten stärker kontrollieren müsse.

Mehr zum Thema:

(dpa/APA)