Mit Bootstrapping durch die Finanzkrise
Bootstrapping nennt man den Aufbau eines Unternehmens mit geringen finanziellen Mitteln und ohne externe Hilfe wie Risikokapital. Auf der Wiener Tagung SchnitzelConf erzählten acht international erfolgreiche Bootstrapper mit Webprodukten von ihren Erfahrungen. ORF.at sprach mit den Organisatoren der Tagung über die aktuelle Lage von Gründern und Jungunternehmen.
Amy Hoy, Harald Eckmüller und Thomas Fuchs gründeten den Verein Bootstrap zur Förderung von österreichischen und europäischen Jungunternehmern mit Eigenkapital. Das erste Projekt des Vereins war die Organisation der Tagung "SchnitzelConf", die am Dienstag im Naturhistorischen Museum in Wien stattfand, weitere sind schon in Planung.
"In Europa ist die Vernetzung von Jungunternehmern nicht sehr ausgeprägt", meinte Harald Eckmüller. "Die Möglichkeit, mit Vorbildern in Berührung zu kommen, die das schon erfolgreich gemacht haben, und von ihren Erfahrungen zu lernen, war für mich die Hauptmotivation.
Veranstaltungen zum Thema Risikokapital gibt es viele, für Bootstrapper ist das leider nicht der Fall."
Erfolgreiche Minikonferenz
Die 75 Eintrittskarten der Tagung um 300 Euro pro Karte waren schnell ausverkauft. Sie wurden in mehreren Staffeln a 15 Karten angeboten, damit auch Menschen mit Geldengpass die Möglichkeit haben, das Geld über mehrere Wochen anzusparen. Thomas Fuchs: "Etwa die Hälfte der Teilnehmer kam aus Österreich, die andere Hälfte aus anderen europäischen Ländern. Jeweils ein Teilnehmer reiste aus Amerika und Singapur an. Die erfolgreichen Bootstrapper kamen aus Italien, Irland, Südafrika, Kanada und den USA."
Unter den Teilnehmern waren viele Freiberufler und Jungunternehmer. Auf die Frage nach der Situation dieser Gruppe nach der Finanzkrise meinte Amy Hoy: "Dieser Menschentypus liefert echten Nutzen und Wert für sein Honorar, und daher wachsen sie auch in Krisenzeiten. Große und teure Beraterfirmen, die Erwartungen nicht erfüllen, sind von der Finanzkrise viel eher negativ betroffen."
Giacomo Peldi Guilizzoni aus Bologna, Italien, ist Gründer von
"Balsamiq Mockups2", einem Hilfsmittel zum Erstellen von Wireframes und Prototypen. In seinem Vortrag erzählte er von seiner persönlichen Entwicklung als Programmierer bei Adobe zum Jungunternehmer. Derzeit macht er 250.000 Euro Umsatz pro Monat und versucht wieder mehr Zeit zum Programmieren zu finden, indem er bestimmte Aufgaben delegiert oder vernachlässigt.
Tobias Lütke, ein Deutscher, der im kanadischen Ottawa, lebt, ist Gründer von Shopify, einer Do-it-yourself-E-Commerce-Plattform für Einzelhändler. Tipps, wie man Geld verdient, standen im Mittelpunkt seines betriebswirtschaftlichen Vortrags über Gewinnspannen, Churn Rate und Customer Lifetime Value.
Adii Rockstar aus Kapstadt, Südafrika, gründete mit WooThemes eine Firma, die sich auf Verkauf und Support von hochwertigen Designs für das Weblog-System WordPress spezialisierte. Er erzählte von den vielfältigen Schwierigkeiten, Design zu verkaufen. Dabei berief er sich auf Investor Dave McClure, der sagte, dass bei Websites, die sich an Endverbraucher richten, Design und Marketing wichtiger seien als Technik.
Paul Campbell aus Dublin, Irland, betreibt mit Ketchup eine Webapplikation, die dabei helfen soll, bessere und produktivere Besprechungen abzuhalten.
Optimierung in der Krise
Zusammen mit ihrem Mann Thomas Fuchs ist Amy Hoy selbst Bootstrapper und verkauft ein Zeiterfassungstool namens Freckle. Amy Hoy: "Die Krise ermöglicht es uns, mehr Geld zu verdienen, weil wir für zwölf US-Dollar pro Monat Freiberufler und Jungunternehmern helfen, mehr Gewinn zu machen und Zeit zu sparen."
Harald Eckmüller beobachtet, dass in Krisenzeiten bestimmte Menschen vermehrt aktiv werden: "Diese Leute gehen Veränderungen jetzt an, statt sich von der Krise verunsichern zu lassen. Angst ist nicht sehr ausgeprägt. Die Rahmenbedingungen und Umstände ändern sich und sie reagieren drauf. Man braucht dazu Kompetenz und nur wenige technische Mittel. Und falls es nicht klappt, ist es für solche Leute auch kein Problem, wieder einen Job zu finden."
Jeans und Bootstrapping
Mit aktuellen Produktionsumgebungen wie Ruby on Rails braucht es zwei Personen und drei Wochen, um ein Produkt auf den Markt zu bringen, meinte Investor Joichi Ito diese Woche auf der Ars Electronica in Linz. Levi Strauss und seine Jeans sind das einzige Unternehmen, das die Goldräusche des 19. Jahrhunderts überlebt hat. Welche Unternehmen den Bootstrapping-Goldrausch überleben werden, ist wohl noch offen.
(Max Scheugl)