EU-Parlament: IPRED2 wird aufgetaut
Mit 328 zu 245 Stimmen wurde der EU-Kommission grünes Licht erteilt, die steckengebliebene Richtlinie zur strafrechtlichen Verfolgung von Tauschbörsenbenutzern wieder flottzumachen.
Bei der Abstimmung zum Bericht der Abgeordneten Marielle Gallo (EVP) über die "Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte im Binnenmarkt" hat sich im EU-Parlament eine relativ knappe Mehrheit gefunden. Bei 81 Enthaltungen votierten 328 Abgeordnete für und 245 gegen den Bericht.
Mit dieser Resolution wird der EU-Kommission grünes Licht erteilt, die wegen massiver Diskrepanzen im Ministerrat eingefrorene Richtlinie IPRED2 (Intellectual Property Rights Enforcement Directive) wieder auf die Tagesordnung zu bringen.
Richtlinie in der Hinterhand
Diese Richtlinie sollte IPRED1 ergänzen, mit der die zivilrechtlichen Maßnahmen gegen "Produktfälschung und Piraterie" verschärft wurden. IPRED2 sollte den strafrechtlichen Rahmen für Delikte wie den Vertrieb gefälschter Medikamente definieren. Wie auch die Präsentation des Berichts im Parlament am Montag gezeigt hat, ist das eigentliche Ziel ein ganz anderes.
Berichterstatterin Marielle Gallo, eine Parteigängerin des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, befasste sich dabei nahezu ausschließlich mit Tauschbörsenbenutzern.
Frankreichs Netzsperren für alle
Wie alle derartigen Initiativen der französischen Regierungspartei läuft alles letztlich auf ein "Three Strikes Out"-Regime hinaus, also Netzsperren bei mutmaßlichen Urheberrechtsverletzungen auf Zuruf der Medienindustrie.
"Es zeugt von einem breiten Unverständnis, wenn man glaubt, so ein Problem mit Mitteln des Strafrechts lösen zu können", sagte die österreichische Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) zu ORF.at. "Ich würde mir wünschen, dass diese Abgeordneten ihren Kindern oder Enkeln einmal über die Schulter schauen, wenn die im Netz unterwegs sind."
Verschiedene Rechtsauffassungen
"Niemand will das Grundrecht auf Informationszugang versagen", konterte die ÖVP-Europaabgeordnete Hella Ranner in einer Aussendung vom Mittwoch. "Es geht um eine Sensibilisierung des Rechtsverständnisses. Wer einen Kaugummi im Supermarkt klaut, wird bestraft, weil das Rechtsverständnis unserer Gesellschaft Stehlen klar verurteilt. Auch Raubkopieren und Herunterladen ist Diebstahl - nur ist das den Menschen oft gar nicht bewusst", so Ranner. "Es geht nicht darum, das Grundrecht auf Wissen und Information zu untersagen. Wer klar denkt, dem wird auch klar sein, dass ein heruntergeladener Hollywood-Film oder ein Musikalbum nur schwer unter die Sparte 'Zugang zu Wissen' fallen können."
Der SPÖ-Europaabgeordneten Evelyn Regner geht der Gallo-Bericht "deutlich zu weit", wie sie in einer Mitteilung vom Mittwoch schrieb. "Wir haben in einem eigenen Gegenentwurf dafür plädiert, zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzern zu unterscheiden. Damit würde bei jugendlichen Musikdownloadern anders vorgegangen werden als bei Unternehmen, die mit illegal erworbenen Urheberrechten Geld verdienen", so Regner. Das Mitglied des Rechtsausschusses im EU-Parlament weiter: "Keinesfalls soll es so sein, dass sich einige wenige Machthaber an den geistigen Werken Einzelner bereichern und ein Kampf der 'Kleinen gegen die Kleinsten' angezettelt wird und/oder Bürgerinnen und Bürger pauschal kriminalisiert werden."