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Die Zeit nach der Zeitung

MEDIENTAGE
22.09.2010

Bei den österreichischen Medientagen wurden am Mittwoch die Medien von übermorgen erörtert. US-Journalismusprofessor Jeff Jarvis sieht die Zukunft in vernetzten, kleinen unabhängigen Nachrichtenunternehmen. Heimische Medienmanager konnten Jarvis Thesen kaum etwas abgewinnen.

Journalisten müssten in Zukunft auch unternehmerisch denken, mahnte der aus Amsterdam zugeschaltete US-Journalismusprofessor und Autor Jarvis am Mittwochnachmittag bei einer Diskussion zum Thema "Medien übermorgen" bei den Österreichischen Medientagen, die noch bis Donnerstag in der Wiener Stadthalle stattfinden.

Jarvis, der an der City University of New York einen Studiengang zu unternehmerischen Journalismus leitet, skizzierte einen Zukunft, in der die großen Medienunternehmen von einer Vielzahl von kleinen, vernetzten Playern mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen abgelöst werden.

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"Nachrichten als Prozess"

Inhalte seien heute überall zu finden, so Jarvis. Nachrichten dürften im vernetzten Umfeld nicht mehr als Produkt verstanden werden, sondern als Prozess, an dem sich viele Nutzer beteiligen und aus dem neue Formen der Zusammenarbeit entstehen.

Von Bezahlinhalten im Netz hält der Journalismusprofessor wenig. Wer seine Inhalte hinter Bezahlschranken verstecke, könne im vernetzten Umfeld nicht wachsen. Die Kritik der Verleger am Internetunternehmen Google kann der Autor des Buches "Was würde Google tun" nicht nachvollziehen. Google bringe den Medienunternehmen Milliarden von Kontakten. Es liege an den Verlegern, daraus etwas zu machen.

Dem Journalismus prophezeite Jarvis eine nachhaltige und profitable Zukunft. Diese werde allerdings in kleinteiligeren Strukturen stattfinden.

"Alarmismus"

Bei heimischen Medienmanagern stießen die Thesen des US-Journalismusprofessors auf Skepsis. Franz Manola, Leiter des Plattformmanagements in der ORF-Generaldirektion, wollte den "Alarmismus" von Jarvis nicht akzeptieren und riet der Branche, sich nicht von einer solchen Rhetorik infizieren zu lassen. "Ich würde gerne wissen, wie die Zeitungs- und TV-Landschaft heute aussehen würde, wenn sich die Medienmacher in den vergangenen zwölf bis 15 Jahren nicht durch solche Debatten defokussiert gewesen wären", so Manola. "Die Medien waren niemals in Gefahr zu sterben. Zeitungen und TV würden totgeredet, kritisierte der Medienmanager.

Für die Zukunft wünschte sich Manola, "dass wir Medien haben werden, von den wir glauben, dass wir sie brauchen". Er gehe davon aus, dass sich ein Bewusstsein von Medienökologie bilden werde: "Wir werden uns darüber bewusst sein, dass Medien unser Leben drastisch verändern und uns auch fragen, ob wir bestimmte Entwicklungen wirklich wollen."

APA-Kogeschäftsführer Peter Kropsch verwies auf die Verlässlichkeit traditioneller Medien. Die Einbeziehung der Nutzer und Bürgerjournalismus könne Verbindungen schaffen und Kommunikation anregen, sagte Kropsch: "Mit dem, was wir unter Journalismus verstehen, hat das aber nichts zu tun."

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Kostenpflichtige Anwendungen

Auch Hans Gasser, "Wirtschaftsblatt"-Vorstand und Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen (VÖZ), konnte Jarvis Thesen wenig abgewinnen: "Paid Content als Refinanzierung unserer journalistischen Arbeit steht eigentlich im Widerspruch zu dem, was Herr Jarvis so im Auge hat", sagte Gasser.

"Wir werden auch in Zukunft mit unseren Medienmarken und dem Nutzwert der Inhalte das Geschäft machen, unabhängig davon, ob das auf Papier oder nicht auf Papier ist." Gasser zeigt sich davon überzeugt, dass Geräte wie das iPad und damit einhergehende kostenpflichtige Anwendungen "einen wesentlichen Anteil" am Geschäftsmodell der Medienhäuser haben werden.

Bezahlte Blogger

Hannes Eder, Geschäftsführer von Universal Music Austria, prophezeite der CD ein baldiges Ende. Diese werde schon 2015 irrelevant sein. Der Zwang, sich in digitalen Welten Erlösquellen zu erschließen, sei eine Überlebensfrage für die Branche. Zur Kommunikation mit den Kunden bediene man sich auch der Sozialen Medien, so der Musikmanager. Die Meinungsbildung über diese Kanäle sei viel effizienter als Internetwerbung: "Natürlich bezahlen wir viele Blogger."

T-Mobile-Austria-Chef Robert Chvatal strich die zunehmende Bedeutung mobiler Netzzugänge hervor. Für Mobilfunkanbieter sei es wichtig, weiter in die Übertragungswege zu investieren. Das koste allerdings Geld, das in Zukunft verstärkt über abgestufte "Quality of Service"-Angebote eingenommen werden soll.

"Die Mediendistribution der Zukunft findet auf Mobilgeräten statt", glaubt Oliver von Wersch, der beim deutschen Verlagshaus Gruner + Jahr für mobile Dienste zuständig ist. Er sprach von Wachstumsraten von 25 Prozent jährlich und zeigte sich überzeugt, dass sich aus Verlagssicht das Netz "erfolgreich monetarisieren" ließe.

"Orte der Stille"

Dem Ende traditioneller Medienhäuser stellte sich zuvor auch Frank Schirrmacher, "FAZ"-Mitherausgeber und Autor ("Payback"), entgegen. In seinem Vortrag am Vormittag sagte er dem Journalismus eine "große Zukunft" voraus. Es gebe kein sich selbst tragendes relevantes Medium im Netz, so Schirrmacher. Die Leitmedien im Internet seien noch immer die Nachrichtenseiten der großen Zeitungen und der öffentlich-rechtlichen Anstalten: "Man kann nicht sagen, dass es zu einer revolutionären Neubewertung der Systeme gekommen ist."

Auch die Zeitung werde nicht untergehen, prognostizierte der "FAZ"-Mitherausgeber. Journalistische Angebote im Netz würden vorwiegend am Arbeitsplatz gelesen und konkurrieren dort mit Excel-Tabellen, E-Mails, Facebook und Twitter. Die Zeitung könne in der von Reizen überfluteten Welt ein therapeutisches Medium sein: "Menschen brauchen Ruhepausen und Orte der Stille."

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(futurezone/Patrick Dax)