Google TV: "Die Zeit ist jetzt dafür reif"
Egal wie und wo Menschen im Netz etwas suchen, Google will überall präsent sein. Nach PC und Handys hat der Suchmaschinenanbieter nun den Fernseher im Visier. "Die Zeit ist jetzt dafür reif", so Google-Produktmanager Jürgen Galler über den erneuten Versuch der Industrie, TV und Internet zu verschmelzen. Ausprobieren und scheitern zu können, sei Teil von Googles Firmenkultur, so Galler gegenüber ORF.at.
Jürgen Galler ist Produktmananger bei Google EMEA (Europa, Mittlerem Osten und Afrika) in Zürich und zuständig für die Bereiche Video und Online. Er war im Rahmen der Medientage am 21. September in Wien.
ORF.at: Google hat vor kurzem die neue Suchoberfläche Instant gestartet. Was ist die Idee dahinter?
Galler: Wir wollen damit den Suchprozess als Ganzes verkürzen. In der Vergangenheit haben Webnutzer mehr Zeit damit verbracht, die Suche zu formulieren und einzutippen, als es dann gebraucht hat, um die Suchergebnisse zu erhalten. Wenn man die Eingabe der Suchbegriffe verkürzt, kann man den gesamten Suchprozess beschleunigen. Das war unser Ziel, und das haben wir erreicht. Wir glauben, dass wir pro Suche zwei bis fünf Sekunden einsparen können und damit generell sehr viel Zeit sparen - für unsere Nutzer und möglicherweise auch für eine Volkswirtschaft.
ORF.at: Kommt es wirklich auf diese zwei bis fünf Sekunden an? Bei zehn Suchen spare ich vielleicht eine Minute. Wir sind schon so schnell und effektiv, bald überholen wir uns selbst.
Galler: Ich glaube, wir unterschätzen das. Generell ist jede Sekunde, die Sie einem Nutzer einsparen helfen können, während er Ihren Dienst nutzt, ein unglaublicher Gewinn: an Nutzern, an Nutzungsintensität und so weiter. Wenn man als Betreiber eines Internetdiensts nicht die Geschwindigkeit seiner Nutzer im Auge hat, dann sollte man das ändern. Wir haben den Ruf, dass unsere Dienste sehr schnell sind, und wir sind stolz darauf, dass unsere Suche, die eigentlich einer unserer schnellsten Dienste war, jetzt noch schneller geworden ist.
ORF.at: Sie haben bei ihrem Vortrag erklärt, Instant sei erst der Anfang, es werde noch mehr geben. Was sind denn die nächsten Schritte, was kann man an der Suche noch verbessern?
Galler: Zum einen gibt es immer mehr Medien im Internet, wie Videos, Bilder und Offlinecontent, der online gestellt wird - die Suche in diesen Inhalten kann man noch verbessern. Auch die mobile Suche auf Smartphones verändert den gesamten Suchprozess. Wir beobachten, dass 30 Prozent der mobilen Suchanfragen Location-spezifisch sind, also mit Ortsangabe, auf dem PC sind es nur 16 Prozent. Das bedeutet, dass sich die Suche im mobilen Bereich noch einmal verändert. Wir müssen ganz andere Signale einbeziehen, um die richtigen und besten Suchergebnisse zu erzielen.
ORF.at: Konzentrieren Sie sich nun eher auf die mobile Suche? Sie haben in ihrem Vortrag auch erzählt, dass 2013 die Smartphone-Verkäufe die PC-Verkäufe überholen sollen. Da wäre es naheliegend, sich jetzt vom PC wegzubewegen.
Galler: Wir beziehen uns nie auf nur eine spezifische Plattform, wir wollen die Suche plattformübergreifend zur Verfügung stellen. Über 50 Prozent aller mobilen Nutzer fangen ihre Onlineaktivität auf dem Handy mit einer Suche an. Das zeigt, dass die Suche auf dem Handy wirklich wichtig ist, das heißt aber nicht, dass wir uns weniger auf den PC oder andere Plattformen konzentrieren. Wie möchten einfach generell über alle Internetgeräte unsere Suche ermöglichen. Ein mobiles Gerät ist insofern spannend, als dass es viele neue Möglichkeiten schafft. Wir haben Google Speech Search vor wenigen Monaten in den USA gelauncht, und mittlerweile werden 25 Prozent aller mobilen Suchen über Sprache abgewickelt. Oder nehmen sie Google Goggles, wo sie nur mit einem Foto suchen. Wenn wir über das Benutzerinterface sprechen, dann sollten wir nicht nur darüber sprechen, ob die Taste hier kleiner ist oder das Eingabefeld ein bisschen anders, sondern wir müssen auch darüber reden, welche Eingabemedien ich verarbeiten können muss, um eine optimale mobile Suche durchführen zu können.
ORF.at: Ein weiteres Thema ist die Suche auf dem Fernseher. Was erwartet sich Google davon, seine Suche direkt auf dem Fernseher anzubieten? Üblicherweise zieht man aus dem Fernsehen nicht aktiv Informationen raus, sondern sitzt im Couch-Potato-Modus davor und wird berieselt - das ist ja auch der große Unterschied zwischen TV und PC.
Galler: Zum einen beobachten wir, dass die Nutzung von Internet und Fernseher seit längerem parallel stattfindet. Man sieht das interessanterweise bei Fußballspielen - wenn jemand ein Tor geschossen hat, geht die Suche nach dem Torschützen sofort massiv nach oben. Das heißt, da sitzt jemand vor dem Fernseher, hat seinen PC oder sein Handy an und schaut gleich nach, was der Torschütze in der Vergangenheit getan hat. Das zeigt auf, dass die Medien eigentlich nicht getrennt sind. Wir haben zum einen ein Medium, das zwar nur ausgestrahlt wird, und wir haben die Nutzer, die weitere Informationen zu den Daten, die sie aus dem Fernseher erhalten, suchen. Google TV ist eine Plattform, die genau darauf optimiert ist, Fernsehinhalte mit Internetinhalten zusammenzubringen, damit der Nutzer, während er fernsieht, nicht mehr auf einem separaten Endgerät zusätzliche Informationen abrufen muss. Zum anderen gehen wir davon aus, dass Medien immer stärker personalisiert werden müssen: Die Jugend von heute will mitentscheiden, was sie sich ansieht, und sie will auch ihr Soziales Netzwerk, ihre Freunde mitentscheiden lassen. Sie finden es interessanter, sich einen Film anzusehen, den ihnen ihre Freunde empfohlen haben, als einen Film, den vielleicht irgendein Fernsehsender geplant hat. Wenn wir das Internet und das Fernsehen miteinander verschmelzen können, dann können sie diese Empfehlungen aus dem Internet direkt auf dem Fernseher anschauen. Sie können auf dem Fernseher in Zukunft auch ihre eigenen Programme besser planen, sie können ihre Serien aussuchen, die Fanpage dazu ansehen und so weiter. Das heißt, der Medienkonsum wird immer personalisierter, und dafür müssen auch die Medien und Geräte zueinanderfinden.
ORF.at: Google ist nicht das erste Unternehmen, das versucht, Internet und TV zu verschmelzen. Was wollen Sie besser machen? Wo steckt der Wow-Faktor bei Google TV?
Galler: Unserer Meinung nach ist die Zeit jetzt dafür reif, und die Technologie ist da. Wir machen nichts Proprietäres, bei dem sie sich dann nur ein spezifisches Gerät kaufen, sondern wir machen etwas, das dann möglicherweise auf vielen verschiedenen Geräten laufen wird. Wir hoffen, dass das dadurch auch erfolgreich wird.
ORF.at: Google hat einige Produkte gelauncht, die mangels durchschlagenden Erfolgs wieder eingestellt wurden oder nicht mehr weiterentwickelt werden, siehe Google Wave. Bei Sozialen Netzwerken ist Google, obwohl es offenbar ungemein wichtig ist, auch nicht besonders erfolgreich. Es wird relativ viel versucht, und nur bei der Suche ist Google offenbar konstant erfolgreich.
Galler: Ich glaube, wir haben sehr viele erfolgreiche Produkte, YouTube hat zum Beispiel zwei Milliarden Videoviews pro Tag. Google Mail ist ebenfalls ein erfolgreicher Dienst. Wir sind ein innovatives Unternehmen, wir probieren einfach auch viel aus, wir entwickeln viele Produkte, und darauf sind wir stolz. Ich glaube, es kann kein Problem sein, zu sagen: Hey, dieses Produkt hatte jetzt nicht diesen durchschlagenden Erfolg, den wir uns gedacht haben, jetzt machen wir einfach auf eine andere Art und Weise weiter. Die Technologie ist trotzdem da, wir haben es ausprobiert und etwa bestätigt, und das ist auch wichtig. Ich glaube, es ist generell in einer Volkswirtschaft wichtig, dass man Innovation offenhält und nicht darüber nachdenkt, warum man bestimmte Dinge nicht mehr tut. Man muss einfach versuchen nach vorne zu schauen und Dinge ausprobieren. Und auch mal die, die nicht funktioniert haben, hinter sich lassen. Das ist Teil unserer Kultur, und darauf sind wir auch stolz.
~ Link: Die Forschungsstrategie von Google (../http://www.fuzo-archiv.at/?id=1658686v2) ~
(futurezone/Nadja Igler)