Die Urahnen der Tablet-Computer
Seit Apple sein iPad auf den Markt gebracht hat, gelten Mobilcomputer mit berührungsempfindlichem Bildschirm als große Hoffnung der Branche - schon wieder, möchte man sagen, denn bereits in den 1950er Jahren galten Tablets und Stiftbedienung als der letzte Schrei in der Gestaltung von Benutzerschnittstellen. Doch bereits Computerpionier J. C. R. Licklider zweifelte am praktischen Nutzen der Geräte.
In den 1980er Jahren setzte sich kein Manager an einen Computer. Um Tastaturen zu bedienen, hatte man Sekretärinnen. Mit einem Finger über der Tastatur zu kreisen, sein Ziel anzuvisieren, um dann den Zeigefinger fallen zu lassen, hätte den Chefs in der Teeküche keinen Respekt verschafft.
Da war es schon sinnvoller, sich dem Tippen komplett zu verweigern. Das mussten auch die Computerfirmen lernen, so Jeff Hawkins, der Gründer von Palm Computing. "Anfang der 1980er Jahre wollte sich kein Manager in der Öffentlichkeit mit einem Computer zeigen", erinnerte er sich in einem Interview für das Buch "Designing Interactions".
Zielgruppe Businesskunden
Männer in Anzügen, so Hawkins seinerzeit, machten ihre Notizen am liebsten handschriftlich. Das wurde von einigen Computerfirmen bereits Anfang der 1980er Jahre erkannt, als die Marketingabteilungen erstmals versuchten, einen Markt für ihre Laptops zu finden, die damals um den stolzen Preis von rund 8.000 US-Dollar angeboten wurden.
Ihre Klientel sahen sie, anders als Bill Gates, nicht in den Privathaushalten, sondern ausschließlich in der Geschäftswelt, und zwar im oberen Management. Die Idee zu den Tablets musste auch nicht erst erfunden werden. Die grundlegenden Prinzipien hatten Computerwissenschaftler bereits in den 1960er Jahren in die Realität umgesetzt - auch Computerpionier Vannevar Bush hatte in seinem Konzept für die analoge Informationsmaschine Memex aus dem Jahr 1945 eine handschriftliche Eingabe vorgesehen - und es gab auch erste kommerzielle Erfahrungsberichte. Was man nun noch brauchte, waren neue Namen für die Geräte wie GRiDPad, Momenta und GO.
Die Vorläufermodelle
Rückblende. Die ersten Eingabegeräte mit Stiftbedienung waren in den 1960er Jahren auf den Markt gekommen und die Idee, einen Stift für die Interaktion zwischen Mensch und Computer zu benutzen, war den Entwicklern bereits Anfang der 1950er Jahre gekommen. Die Computerabteilung der US-Militärforschungsagentur ARPA arbeitete unter ihrem legendären Chef J. C. R. Licklider an einem System, bei dem Soldaten mit einer "Lichtpistole" abzuschießende Ziele auf einem Radarschirm markieren sollten. Aber, so Licklider, die Handhabung dieses Geräts war derart plump, dass der Soldat das feindliche Ziel am Bildschirm meist verfehlte und der daran angebundene Computer mehr Fehlschüsse als Treffer verursachte.
Auch Jahre später war Licklider von der Entwicklung in Sachen Stiftbedienung von Computern noch immer nicht überzeugt. Vielmehr empfahl er diese Erfindungen in seiner Rede beim ACM/SIGGRAPH-Workshop 1976 für den "booby prize" - einen Antipreis für die schlechteste denkbare Lösung für die Bedienung von Computern. Zwar hatte man damals schon erkannt, dass ein Bildschirm oder ein Tablet nicht vertikal, sondern besser horizontal benutzt werden sollte, um den Arm des Benutzers nicht zu ermüden, aber trotzdem hielt Licklider sich nicht mit Kritik zurück.
Grafiktablett statt Mauspad
Das Tablet-Computing der 1960er und 1970er Jahre konnte freilich noch nicht mit der heute üblichen Integration von Bildschirm und Rechner aufwarten. Display und Schreibunterlage waren getrennt. Man schrieb und zeichnete auf dem Tablet und überprüfte das Resultat auf dem vertikal ausgerichteten Bildschirm.
Dass es auch besser ging, bewiesen 1967 Mort Bernstein und Lou Gallenson in einer Demonstration. Sie hatten ein Tablet entworfen, bei dem der Computer die Kurven und Linien der Handschrift automatisch vor den Augen des Benutzers korrigierte. Allerdings war dieses System zur damaligen Zeit zu rechenintensiv und zu teuer, und das Tablet funktionierte nur in einem abgedunkelten Raum.
Fortschritt durch Technik
Technische Schwierigkeiten, so Licklider 1976, können glücklicherweise durch den technischen Fortschritt überwunden werden. Trotz seiner eigenen Vorbehalte glaubte er, dass den Nutzern schon recht bald bedienungsfreundliche grafische Eingabesysteme zur Verfügung stehen würden. "Vorausgesetzt, dass wir uns bis dahin noch nicht zu sehr an das 'Stylus Tablet' gewöhnt haben und noch in der Lage sind, zu erkennen, wie bizarr dessen Handhabung in Wirklichkeit ist", so der Computerpionier.
Das iPad braucht keinen Stift mehr, für seine Bedienung reicht ein Finger. Das mag weniger elegant aussehen als die Bedienung mit dem Stift, hat in Verbindung mit der Idee, auf diese Weise virtuell 'Papier abzurollen' aber durchaus seinen Reiz. Die Zielgruppe, so Marktanalysten, sind wie in den 1980er Jahren Manager in gehobenen Positionen mit gutem Einkommen. Man kann zwar auf dem iPad auch eine Tastatur einblenden, aber das erscheint wenig konsequent, es ist eher ein Kompromiss für Workaholics. Denn eigentlich ist das iPad ja hauptsächlich für den Gebrauch in der Freizeit gedacht.
"Hologram Tablet"
Ein wesentlich höheren Geek-Faktor, auch für kleinere Geldbeutel, ließe sich heute vielleicht erreichen, wenn man darangehen würde, eine Idee aufzugreifen, die zwei Japaner bereits 1970 vorgestellt haben: das "Hologram Tablet".
Entworfen wurde es von Ingenieuren der Nippon Electric Company (NEC) für die Eingabe an Computergrafiksystemen mit einem Laserstift, es war also ein sehr früher Vorläufer der heute gebräuchlichen Grafiktabletts. "Das Tablet ist leicht, kompakt und einfach zu handhaben. Man kann es mit Computern zusammenschließen, und es ist billig in der Herstellung", versprachen die Erfinder Mitsuhito Sakaguchi und Nobuo Nishida. Das klingt doch nach einem guten Businessplan.
(Mariann Unterluggauer)