EU-Rat winkt Softwarepatente durch
In der Europäischen Union kann künftig Software patentiert werden, wenn es nach dem Ministerrat und der scheidenden EU-Kommission geht.
Einen entsprechenden Beschluss zur umstrittenen Richtlinie für "computerimplementierte Erfindungen" - allgemein als "Softwarepatente" bekannt - fasste der EU-Wettbewerbsrat am Dienstag in Brüssel.
"Die Entscheidung des Rates ist ein großer Schritt", so EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein. "Wir müssen Investitionen in Innovationen belohnen, damit eine wissensbasierte Wirtschaft in Europa floriert."
Software kann laut diesem "Kompromiss" im Zusammenhang mit technischen Erfindungen patentiert werden. Bis jetzt war Software in Europa von jeglicher Patentierung ausgenommen, vor allem deshalb, weil die Entwicklungszyklen wesentlich dynamischer verlaufen als Erteilungen von Patenten allgemein.
Opposition im Rat
Zuletzt mehrten sich die Zweifel, dass der Vorschlag die
erforderliche Zweidrittelmehrheit erhält. Die Verhandlungen
gestalteten sich schwierig, zunächst zeichnete sich keine
einheitliche Haltung ab.
Im September im EU-Parlament
Laut Pressemitteilung des EU-Wettbewerbsrates stimmte nur Spanien gegen den von Irland vorangetriebenen Kompromiss, Belgien, Italien und Österreich enthielten sich der Stimme.
Die österreichische Enthaltung kam überraschend, da Infrastrukturminister und Vizekanzler Hubert Gorbach [FPÖ] den Vorschlag im Vorfeld begrüßt hatte.
Enthaltungen werden bei der Abstimmung als Nein-Stimme gezählt.
Bis der Beschluss ins Gemeinschaftsrecht eingeht, wird aber noch einige Zeit vergehen.
Die Position der EU-Staaten muss noch einmal ins Europäische Parlament, das im Juni neu gewählt wird. Davor gibt es keine Sitzung mehr. Die zweite Lesung im Parlament dürfte sich daher erst im September ausgehen.
Pressemitteilung des Wettbewerbsrates [pdf, Seite 16]Gorbach, in dessen Kompetenzbereich auch das österreichische Patentamt liegt, begrüßte in einer Aussendung die Richtlinie "als Schritt in Richtung mehr Rechtssicherheit". Damit werde Österreichs klein strukturierter Softwareindustrie ein taugliches Werkzeug gegen eine zu weit reichende Patentierungspraxis in die Hand gegeben.
Vizekanzler begrüßt EU-PatentrichtlinieEU-Parlament hat Mitspracherecht
Der Beschluss des Rats steht im diametralen Gegensatz zu einer mehrheitlichen Entscheidung des EU-Parlaments.
Wenn Software integrierter Teil einer patentierbaren technischen Erfindung ist, dann soll auch dieses Stück Software patentierbar sein, so die Kernaussage des Entwurfs.
Ebendas aber hatte das EU-Parlament im Juni 2003 nach ausführlichen Diskussionen mehrheitlich abgelehnt und den damaligen Ratsvorschlag mit einer großen Zahl an teils einschneidenden Änderungsforderungen versehen.
21 Änderungen wurden zwar teilweise übernommen, der Vorschlag hat sich in den Kernpunkten seit der ersten Version jedoch nicht geändert.
Das Europaparlament hat in dieser Frage nur ein Mitentscheidungsrecht. Ohne seine Zustimmung kann die fragliche Richtlinie aber auch nicht verabschiedet werden.
Patent-Direktive entschärft angenommenGegner fürchten Investitionsstopp
Die Gegner der Softwarepatente bezeichnen den jetzigen Ratsbeschluss als mindestens so schädlich wie den ersten Versuch des Rats, Software durch die Hintertür patentfähig zu machen.
Das wäre der Anfang vom Ende des freien Programmierertums und damit eine Bedrohung der mit wenigen Ausnahmen aus kleinen und mittleren Unternehmen bestehenden Software-Branche Europas.
Während die Patentbefürworter zum überwiegenden Teil in Großunternehmen aus der Elektronik-, Software- und Autobranche zu finden sind, sind die Gegner im KMU-Bereich rund um EDV- und IT-Dienstleistungen daheim.
Kritik an PNR-Entscheidung
Der Beschluss im EU-Ministerrat zur Weitergabe von
EU-Passagierdaten [PNR] wurde vom EU-Spitzenkandidaten der FPÖ, Hans
Kronberger, massiv kritisiert. Es sei eine skandalöse Missachtung
des EU-Parlaments und ein massiver Eingriff in die Privatsphäre der
europäischen Bürger, der möglicherweise nicht einmal durch EU-Recht
gedeckt sei.
Aktuelle Rechtslage
Das europäische Patentrecht schließt derzeit noch Patentierung von Logik aus. Darunter fallen Algorithmen, mathematische Methoden, Musik und auch Computerprogramme.
In den USA hingegen können auch in Software umgesetzte Anwendungen und Geschäftsmodelle mit einem Patent geschützt werden.
Bisher sind Computerprogramme in Europa durch das Urheberrecht geschützt. Das Urheberrecht schützt den konkreten Programmiercode, nicht aber die Idee oder das Verfahren an sich.