Interaction-Design statt Interface-Designs
"Designing Interactions" von Bill Moggridge ist ein Buch über Hard- und Software, aber vor allem über den Beginn und die Entwicklung eines Designs, das es Menschen ermöglicht, mit elektronischen Produkten zu interagieren, ohne den Spaß daran zu verlieren.
Interface-Design sollte eigentlich Interaction-Design, Interaktionsdesign, genannt werden, denn damit beschreibt man nicht nur die Oberfläche eines digitalen Gegenstands, sondern auch, wie man mit ihm in Kontakt treten kann.
Zumindest deutet die Bezeichnung darauf hin, dass sich hier jemand Gedanken gemacht hat, wie man mit den Tasten am Handy zurecht kommt, wie man auf einer Website vernünftig navigieren kann und dass einem die Menüführung eines Textverarbeitungsprogramms nicht zur Verzweiflung treibt.
"Design für den Alltag"
Keiner entgeht mehr den mehr oder weniger geglückten Ausführungen der Interaktionsdesigner, einer Berufsgruppe, die vor 40 Jahren so noch nicht existierte. Früher nannte man sie schlichtweg Grafiker, wie den Amerikaner Marcus Aaron. Er war der erste, der sein Geld damit verdiente, am Computerinterface zu arbeiten.
1969 entwarf er das Design für ein Bildtelefon. Ein Produkt, von dem sich der amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T viel erwartete. Jedoch war dieses Ding seiner Zeit voraus und wurde ein Flop. Nicht unbedingt wegen seines Designs, aber wegen der Preispolitik des Konzerns.
Die erste Maus
Andere sogenannte Designer kamen damals weniger aus dem Bereich Grafik und mussten auch nicht auf dem freien Markt reüssieren. Sie waren Computerwissenschaftler und arbeiteten in Computerlaboren wie am Xerox Palo Alto Research Center, kurz PARC genannt.
Der Erfinder der Maus, Douglas Engelbart, saß nur einige Kilometer vom PARC entfernt, am Stanford Research Institute Menlo Park. Die erste „Maus in der Hand“ bauten er und sein Team 1963.
Engelbart : "Wir waren auf der Suche nach einem Werkzeug, mit dem man den Computer sagen kann, was man mit einem Objekt am Bildschirm machen möchte. In den frühen 60er Jahre bekamen wir, ich glaube von der NASA, ein wenig Geld, um einige Experimente durchzuführen. Wir hatten damals verschiedenste Werkzeuge: einen großen 'Tracking Ball', einen Leuchtstab; Dinge dieser Art, die damals eben verfügbar waren. Als wir mit den Experimenten begannen, erinnerte ich mich an Aufzeichnungen, die ich ein paar Jahre zuvor in einem Notizblock gezeichnet hatte. Bill Englisch wählte einen Entwurf aus und setzte ihn um.
Es stellte sich heraus, dass dieses neue Gerät in allen Experimenten am besten Abschnitt. Es wurde zu unserem User-Interface-Zeigegerät. Irgendwer, ich weiß nicht mehr wer, nannte es Maus. Sie können am Gerät sehen warum: An der Oberfläche gibt es einen Knopf. Damit kann man ein Objekt auswählen; Und hinten hing damals ein Kabel weg. Irgendwer sagte, das Gerät sehe aus wie eine einohrige Maus. Und sehr bald nannten wir es alle nur mehr bei diesem Namen: Maus."
Das ist bis heute so geblieben. Egal ob die Maus mit Infrarot oder per Kabel mit dem Rechner verbunden wird und egal wie viele Tasten und Räder sie besitzt, Maus bleibt Maus. Schon seit über 40 Jahren.
Give me my desktop back
Eine weitere Metapher, die seit den 70er Jahren die Darstellung am Computerbildschirm prägt, nennt sich Desktop. Entwickelt wurde diese Metapher von Tim Mott und Larry Tesler im Xerox Palo Alto Research Center.
Zu einer Zeit, als es noch kein wirkliches Textverarbeitungsprogramm gab. Aber Tim Mott dachte bereits an digitale Dokumente, die - wie im wirklichen Leben - abgelegt, kopiert und wieder gefunden werden sollen.
Tim Mott : "Als Larry und ich diese Idee hatten, die Menschen selbst zu fragen, wie sie in Zukunft ihre tägliche Arbeit mit Hilfe von neuen Werkzeugen erledigen wollten, erleichterte das unsere Arbeit am Design ungemein. Wir hatten damals bereits einen sehr intuitiv handhabbaren Texteditor entwickelt und brauchten dafür ein gleichwertiges Layoutsystem. Unsere Benutzer hatten noch immer Probleme mit Dingen wie: Ablegen der Dokumente, drucken und wegwerfen. Aber mit der Erfahrung, die reale Welt in die Designentscheidung miteinzubeziehen, fragte ich mich: Warum verwenden wir hier nicht denselben Ansatz wie im realen Büro? Es sprach nichts dagegen. Wir nannten es am Anfang noch nicht 'Desktop'. Wir nannten es 'das Büro', genauer gesagt 'das Büroschema'; Aber das Resultat war bereits vergleichbar mit dem heutigen Desktop."
Teil des Designs
Seitdem kann man am Bildschirm oder eben Desktop Ordner hin- und herschieben, Dokumente kopieren und drucken und es gibt den Papierkorb als Symbol für das Vernichten von Dokumenten. All das kritzelte Tim Mott Anfang der 70er Jahre auf eine Serviette, als er an einem späten Nachmittag in einer Bar auf seinen Freund wartete.
Der Desktop war damals Teil des Designs. Auf ihm waren auch all jene Dinge zu sehen, die es auch auf einem normalen Schreibtisch gibt: ein Kalender, eine Uhr und einen Korb für eintreffende und abzusendende Briefe; Denn eigentlich wollte Tim Mott und Larry Tesler eine Lösung für die Kontrolle von ein- und ausgehenden elektronischen Mails finden. Sie waren damals auch nicht die Einzigen, die an so einem Design arbeiteten. Es gab zu dieser Zeit vergleichbare Systeme, die jedoch weitaus komplizierter waren. Manche hatten es mit 3-D-Darstellungen versucht und mit Echtzeitsimulationen, aber niemand war auf die Idee gekommen, am Bildschirm einfache zweidimensionale Icons zu verwenden.
Die Mutter aller Fragen
Gutes Interaktionsdesign - egal ob für den Rechner, für ein Handy, eine Website oder einen Joystick - folgt, so Bill Verplank, bestimmten Paradigmen. Die Mutter aller Fragen lautet: Was ist ein Computer?
Intelligent, oder zumindest smart sollte er sein, dachten sich die Designer am Anfang der Automatisierung. Für Doug Engelbart ist der Computer ein Werkzeug. In den 90er Jahren wurde er zum Medium. Der Wunsch nach Interaktion rückte in den Hintergrund, die User wurden zu Betrachtern eines Browsers degradiert.
Mitte der 90er, so Bill Verplank, begann man sich für das künstliche Leben zu interessieren. Man Sprach über Computerviren und die Computer-Evolution. Programme sollten in der Lage sein, zu lernen und sich den Bedürfnissen der User anzupassen. Der Computer als Vehikel ist eine andere Metapher; sie besagt, dass es auch beim Datenverkehr gewisse Regeln gibt, die beachtet werden müssen.
Das Erfolgsrezept von Google
Als derzeit letzte Entwicklungsstufe wurde der Computer zur Mode erklärt. Heute geht es nicht mehr darum irgendeinen Computer oder MP3-Player zu besitzen, es muss der richtige sein. Wichtiger als die Interaktion mit dem Gerät ist die Interaktion mit einem gewissen Stil, der richtige "Gang". Das war auch 1998 der Fall, als viele Internet-User von Suchmaschinen wie Lycos, Yahoo und Altavista zu Google wechselten.
Terry Winograd, ehemaliger Professor von Larry Page und Sergey Brin, den beiden Google-Gründern, bringt das Erfolgsrezept von Google auf den Punkt: Unaufdringlichkeit.
Terry Winograd : "Ich denke, die wurden aus mehreren Gründen erfolgreich. Aber vor allem deswegen, weil sie von Anfang an respektiert haben was ein User tun möchte und was nicht. Ich denke, das ist die Lektion, die wir von Google lernen können. Die sagen nicht: Das ist es, was wir dir aufzwingen wollen; hier ist das, wovon wir glauben, dass wir es dir verkaufen können. Im Gegenteil. Sie begannen mit dem Ansatz: Hier ist etwas, wovon wir hoffen, dass es für dich nützlich ist. Lass es uns gemeinsam heraus finden. Googles Kultur ist sehr userorientiert. Auf viele Fragen lautet deren Antwort: Wir wissen die Antwort nicht. Lass es uns ausprobieren und sehen, ob es funktioniert."
Reduktion auf das Wesentliche
Diesen Ansatz hat sich in der Zwischenzeit die Konkurrenz von Google nicht zu Herzen genommen, aber zumindest am Design vom iPod, iPhone und am neuen Autodesign kann man erkennen, dass sich bei manchen Designern das Konzept "Einfachheit und Reduktion auf das Wesentliche" langsam durchsetzt.
Am Sonntag in "matrix"
Mehr zum Thema Interaktionsdesign gibt es am Sonntag, den 30.12. 2007 um 22.30 Uhr im Ö1-Magazin "matrix".
(matrix | Mariann Unterluggauer)
