Innenministerium [AT] warnt vor deutschem Lauschangriff
Ein systematisches Abhören des Fernmeldeverkehrs - wie in Deutschland vom Geheimdienst BND zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens praktiziert und am Mittwoch vom Verfassungsgericht in Karlsruhe mit Einschränkungen gebilligt - wird es in Österreich auf absehbare Zeit nicht geben.
Dies betonte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Michael Sika, gegenüber dem "Volksblatt" [Donnerstag-Ausgabe].
Die Stuttgarter Zeitung über das Urteil in DE
Das Verfassungsgericht hat akzeptiert, daß eine rechtsstaatliche Bastion verrückt wird. Aber es hat verhindert, daß sie geschleift wird, wie dies ursprünglich geplant war. Die Schlapphüte dürfen lauschen, massenhaft und systematisch. Aber sie dürfen ihre Erkenntnisse nicht mehr so selbstverständlich und so leicht wie bisher weitermelden.
"Abgesaugt" würden Österreicher am Telefon aber dennoch, wenn sie mit Deutschland telefonieren. Und da könne man, ohne es zu ahnen, sehr schnell ins Visier der geheimen Lauscher kommen, warnte Sika.
"Wenn man nach Deutschland telefoniert und sagt,'die Schneeverhältnisse sind gut', muß man gewärtig sein, überprüft zu werden". Denn "Schnee" sei bekanntlich auch ein Synonym für Kokain.
Westdeutsche Zeitung über das Urteil
Mit jeder erlaubten Amtshilfe des BND zugunsten der Polizei wird ein Stück rechtsstaatlicher Kontrolle aufgegeben. Und die ist kein Selbstzweck, sondern soll zu Unrecht in Verdacht geratenene Bürger schützen.
Es erstaune ihn, daß sich österreichische Datenschützer über diese Abhörpraxis im Nachbarland überhaupt nicht aufregten, meinte Sika.
Allerdings sei klar, daß Proteste gegen die deutsche Telefonbespitzelung wenig nützen würden. "Dagegen können wir nichts unternehmen".
Neues Deutschland
Die Karlsruher Entscheidung hat zwei Seiten. Die gute: Es wird nicht schlimmer, als es schon ist. Doch daß alles bleibt, wie es ist, ist die zweite, die wirklich schlimme Nachricht. Schlimm für die Demokratie. Die Kläger wider den legalen geheimdienstlichen Lauschangriff hatten Persönlichkeitsrechte, die Wahrung des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit eingefordert. Es gab eine Zeit, da demonstrierte man dafür auf dem Leipziger Ring und auf dem Alex in Berlin. Und zu Jahrestagen schmückt man sich mit dem Aufbegehren einstiger Brüder und Schwestern. Ungeniert.