Nervenzellen von Blutegeln erstmals programmiert
US-Forscher rund um Professor William Ditto von dem Georgia Institute of Technology haben zum ersten Mal erfolgreich Nervenzellen programmiert. In Dittos Versuch konnten zwei Blutegel-Neuronen, speziell präpariert und an einen PC angeschlossen, einfache Rechenaufgaben lösen.
Es ist das erste Mal, daß konkrete Fragen, über einen Computer per Software gestellt, von Nervenzellen beantwortet wurden. Ditto und Kollegen sehen darin den ersten Schritt auf dem Weg zu BioHybrid-Computern, die herkömmliche Halbleitertechnik mit organischem Nervengewebe verbindet.
In vielen Bereichen, wie zum Beispiel der Analyse menschlicher Sprache und Handschrift, sind herkömmliche Computer schlichtweg ungeeignet. Um herauszufinden, wie man geeignetere Computer bauen könnte, versuchen viele Forschergruppen das Zusammenspiel von Neuronenverbänden zu verstehen, sie mit Halbleitern zu verbinden und mit Software zu steuern.
Der entscheidende Trick bei dem Experiment des Applied Chaos Lab war, die richtige Sprache zu finden und die Fragestellung, nämlich Additionen, so zu formulieren, daß die Neuronen sie verstehen.
Harmonisches Chaos
Nervenzellen und Gehirne sind keine digitalen Systeme, bei denen
Steuersignale aus einfachen Ein/Aus-Elementen bestehen. Isolierte
Neuronen feuern chaotisch vor sich hin und harmonisieren diese
Grundaktivität, sobald sie in Kontakt mit anderen Nervenzellen
kommen. Diese Fähigkeit zur selbstorganisierten Feinabstimmung macht
die Überlegenheit von Nervengewebe gegenüber Computerchips aus.
Jedoch endet hier das Verständnis zum größten Teil, wie es Neuronen
schaffen, mit ihrer langsamen WetWare sehr viel leistungsfähiger als
Computer zu sein. Das Applied Chaos Lab am Georgia Institute of
Technology kam über die Analyse von chaotischen Systemen auf eine
Spur, wie sich die Empfindlichkeit des "chaotischen Systems
Nervenzelle" zur Steuerung verwenden läßt.
"NeuroTalk" der Blutegel
Die Forscher schlossen zwei Blutegel-Neuronen, deren Aufbau und Funktion sehr gut erforscht sind, an einen PC an, der die Nervernzellen mit elektrischen Signalen stimulierte und so zur Kommunikation veranlaßte.
Diese Signale wurden von einer eigens programmierten Software erstellt, die auf Prinzipien der Chaostheorie das einfache, logische Problem einer Addition in "Neuronen-Sprache" umwandelte. Jede Nervenzelle erhielt einen Stimulus, der einer Zahl entsprach.
Aus dem darauffolgenden "Gespräch" zwischen den beiden Neuronen extrahierte das Computerprogramm die Lösung. Zumindest was Additionen betrifft, waren die Neuronen gute Rechner: Sie fanden immer die richtige Summe.
Grips gegen Chips
Neuronen können sich selbst organisieren, um die Lösung zu diffusen und komplexen Problemen zu finden, an denen Chips mangels logischer Fragestellungen scheitern. Daher sind Nervenverbände viel flexibler als Computer und benötigen zur Lösung von Problemen nicht unbedingt eine spezielle Software. Wenn es gelingt, Neuronen im großen Maßstab in Computer zu integrieren, würde das revolutionäre Veränderungen nach sich ziehen, und möglicherweise den vorausgesagten Einbruch in der Halbleiterentwicklung im Jahre 2012 abfangen. Für die härtesten Brocken würde man dann nicht mehr, wie heute üblich, mit immenser Rechenleistung aufwarten, sondern komplett anders rechnen lassen. Man nehme einfach ein paar Neuronen, setze sie darauf an und warte ab, was sie herausfinden.
Rechnen als Fingerübung für Neuronen
Das Sensationelle an Dittos Experiment ist natürlich nicht, daß Neuronen rechnen können. Im Vergleich zu den sonstigen Aufgaben im Körper gehört das eher zur Kategorie Fingerübung.
Jedoch lösen Nervernzellen die ihnen gestellten Probleme auf grundlegend andere Art und Weise als Computerchips.
Diese Methode ermöglicht es ihnen, mit ihrer eher langsamen WetWare komplexeste Aufgaben zu meistern, an denen heutzutage noch die größten Supercomputer scheitern. Dittos Experiment war ein erster Schritt auf dem Weg zum Verständnis dieser Methode.
Georgia Institute of Technology