Kryptographie für die deutsche Justiz
"Die traditionelle Art der Aktenverteilung ist archaisch, unflexibel und Zeit raubend", sagt Hamburgs Finanzgerichtspräsident Jan Grotheer. Bisher schiebt ein Wachtmeister am Morgen einen Wagen voller Aktenordner durch lange Flure und lädt die Akten bei den Richtern des Finanzgerichtes ab. Nachmittags sammelt er die Akten wieder ein und schließt sie weg. Die elektronische Aktenbearbeitung soll effizienteres Arbeiten ermöglichen. Künftig werden die Richter jederzeit auf Akten im Computer zugreifen können.
Weniger Porto, keine langwierige Aktensuche mehr und bessere Kommunikation mit den Bürgern - das verspricht sich der Gerichtspräsident von diesem Versuch, an dem vorerst 25 Rechtsanwälte und Steuerberater sowie die Finanzverwaltung teilnehmen.
Die Nürnberger Softwarefirma DATEV, bei der nahezu 40.000 Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer genossenschaftlich organisiert sind, hat gemeinsam mit den Kammern diesen Versuch entwickelt. "Absender und Empfänger sparen Zeit und Papier, außerdem wird die Weiterverarbeitung von Daten erheblich erleichtert", erklärt der Projektleiter des Versuchs, Karl-Adolf Höwel.
Die Services von DatevPublic Key und Private Key
Empfänger und Absender, etwa Finanzgericht und Steuerberater, haben laut Höwel jeweils einen privaten und einen öffentlichen "Schlüssel" zum Codieren und Decodieren der Texte.
Dabei funktioniert der private Schlüssel mit Pin-Nummer wie eine Scheckkarte.
Der Steuerberater kann damit seine Klage digital signieren und so verhindern, dass ein anderer unter seinem Namen Schriften verschickt. Mit dem öffentlichen Schlüssel des Finanzgerichts codiert er den Text, damit er auf dem Weg durchs Netz nicht verändert werden kann. Das Finanzgericht dechiffriert die Nachricht mit seinem privaten Schlüssel
Rechtsgültigkeit der DigiSignatur ungeklärt
Technisch scheint damit der Weg für den papierlosen Rechtsverkehr frei, doch juristische Hürden verhindern bisher seine Einführung. "Die Zulässigkeit der digitalen Signatur ist gesetzlich noch nicht geregelt", erklärt Grotheer. Der gemeinsame Senat der oberen Bundesgerichte müsse erst noch entscheiden, ob eine E-Mail-Klage mit elektronischer Unterschrift rechtens sei. Daher faxen die Teilnehmer des geschlossenen Versuchs die Klagen parallel ans Gericht. Grotheer rechnet für 2000 mit einer endgültigen Regelung des Senats oder des Bundestags.