Gedanken steuern den Cursor
Gehirn-Computer-Interface
Kommunikation ist eines der wesentlichsten Grundbedürfnisse des Menschen. Werden aber durch eine Krankheit die Muskelgruppen des Gesichts gelähmt, so wird das fast Alltägliche unmöglich: die Interaktion mit der Umwelt mittels der Sinnesorgane. Künstliche Schnittstellen zwischen der Innenwelt der Gedanken und der Umwelt ermöglichen jetzt Schwerstbehinderten, wieder mit ihrer Umgebung zu interagieren.
Sowohl im Gehirn implantierte Elektroden wie die Auswertung von EEGs fungieren als Träger der Botschaften für körperlich Schwerbehinderte, deren geistige Fähigkeiten intakt sind.
Jetzt hat eine Arbeitsgruppe um Niels Birbaumer an der Universität Tübingen mit Forschern aus Birmingham ein System vorgestellt, das Gehirnpotentiale registriert und über ein Rückkoppelungssystem die Patienten dazu bringt, diese willentlich zu beeinflussen.
Akustische Rückkoppelung
Die Forscher befestigten zwei groschengroße Elektroden über der motorischen Großhirnrinde am Kopf des Patienten und registrierten damit die langsamen cortikalen Potentiale der Region. Sie konstruierten ein Rückkoppelungssystem, das die Auf- und Abwärtsbewegung eines Cursors auf dem Desktop mit zwei unterschiedlichen akustischen Signalen verbindet.
Die Kombination von optischen und akustischen Signalen verstärkte den Trainingseffekt. Die Versuchspersonen trainierten, die Signale beider Elektroden unabhängig voneinander zu beherrschen und in die Bewegung eines Cursors auf einem Desktop umzusetzen.
Mit einem dritten Signal, das der Eingabe-Taste entsprechen würde, wäre es vielleicht sogar einmal möglich, einen gewöhnlichen Computer mit grafischer Benutzoberfläche zu bedienen.
"Gedankenübersetzungsgerät"
Von gesunden Menschen weiß man, dass sie die langsamen Potentiale der Großhirnrinde willentlich beeinflussen können. Die Neurologen aus Tübingen und Birmingham konnten jedoch zeigen, dass auch fast vollständig Gelähmte diese langsamen Potentiale bewusst zu steuern in der Lage sind.
Die Versuchspersonen hatten die Aufgabe, den Cursor innerhalb von zwei Sekunden entweder in ein "Tor" oben oder unten auf dem Bildschirm zu bewegen oder ihn in der Mitte zu halten.
Mit zunehmendem Training und der Beherrschung des Cursors mittels der Gedanken wurde die
Potentialschwelle für die Cursorbewegung hinaufgesetzt. Dadurch war es den Patienten möglich, kurze Nachrichten zu schreiben.
Sie wählten dabei zuerst diejenge Hälfte des Alphabetes aus, die den gewünschten Buchstaben enthielt. Diese Hälfte wurde wieder geteilt und so weiter, bis der gewünschte Buchstabe übrig blieb.
Bildgebendes Verfahren
Die Herstellung einer langzeitstabilen und direkten Verbindung zum menschlichen Gehirn mittels Elektroden ist erstmals vor einem Jahr Neurologen an der Emory-Universität in Atlanta gelungen.
Die Schwierigkeit bestand darin, bei Patienten mit fast vollständiger Lähmung genau die Regionen in der Großhirnrinde zu entziffern, die für die entsprechende Steuerung einer bestimmtem Muskelgruppe verantwortlich sind.
Im Normalfall wird die entsprechende Stelle am motorischen Cortex gereizt,
um die entsprechende Reaktion hervorzurufen, nur war das bei der Patientin mit vollständiger Lähmung nicht möglich. So ermittelten die amerikanischen
Neurologen mit einem bildgebenden Magnetresonanzverfahren, welche
Bereiche am Cortex bei einer vorgestellten Bewegung der linken Hand besonders stark durchblutet würden. An jener Stelle wurden schließlich die Elektroden angebracht.
Neurochirugie der Emory-UniversitätDie Forscher aus Tübingen und Birmingham hoffen nun, ihr "Gedankenübersetzungsgerät" noch wesentlich beschleunigen zu können. So soll die Auswahlzeit pro Buchstaben optimiert und die entsprechende Worterkennungs-Software entwickelt werden.
Projekte der Tübinger Neurologen