
Barack Obama als Al Gore 2.0
Das Technologieprogramm des neuen US-Präsidenten erinnert an die Ära von Bill Clinton und Al Gore. So setzt Barack Obama ausdrücklich auf das Prinzip der Netzneutralität. Auch die Verteidigung der Privatsphäre im digitalen Zeitalter hat sich Obama auf die Fahnen geschrieben.
Wann immer in den letzten Jahren seitens der US-Regierung die Rede auf neue Technologien kam, war es in erster Linie um Biometrie, Data-Mining, Atomkraftwerke und neue Raketensysteme gegangen.
Kamen hingegen Datenbanken aufs Tapet, so drehte sich die Angelegenheit zum Beispiel um das Anzapfen und Zusammenführen von Finanztransfer- und Flugpassagierdaten.
"Terroristen, geistiges Eigentum"
Wann irgendein Offizieller der Regierung unter Bush das Internet thematisiert hatte, dann geschah das fast immer zum Zwecke der Terroristenjagd, der Bekämpfung von "Cybercrime" und dem "Schutz geistigen Eigentums".
Anfang Juli hatte US-Heimatschutzminister Michael Chertoff bespielsweise in Crystal City, Virginia, noch das neue Zentrum für die "Koordination des Schutzes geistigen Eigentums" offiziell eröffnet.
Während sich der Zugang der Regierung unter Bush zu Informationstechnologien also stets auf den Aspekt der Überwachbarkeit beschränkte, hat das Team Barack Obama und Joe Biden eine deutlich andere Herangehensweise.
"Netzneutralität"
Oberster Punkt in ihrer Technologie-Agenda ist "Bewahrung der Offenheit des Internets". Wörtlich heißt es da: "Der Schlüssel für die Erfolgsstory des Internets ist, dass es das offenste Netzwerk in der Geschichte ist. So soll es bleiben. Barack Obama tritt entschieden für das Prinzip der Netzneutralität ein."
Das ist eine an Deutlichkeit nicht zu übertreffende Absage an die Pläne der US-Telekoms und Kabelnetzbetreiber, unter dem Titel "Next Generation Networks" eine Art Zweiklassen-Internet einzuführen.
Al Gore 2.0
Während die bisherige Regierung - gemäß ihrer Ideologie, dass es der Markt schon richten werde - grundsätzlich nichts dagegen hatte, kam heftiger Widerstand von Google, Yahoo, Microsoft und anderen, die ihr Geschäft via Internet betreiben.
Letztlich würde dieser Ansatz auf eine Art Wegzollsystem hinauslaufen.
Die übrigen Punkte in Obamas Technologie-Programm aber lesen sich wie die Version 2.0 der Pläne des damaligen Vizepräsidenten Al Gore, der in der Regierung unter Bill Clinton während der 90er Jahre maßgeblich dazu beigetragen hatte, das Potenzial von TCP/IP zu entfesseln.
Absage an Medienkonzentration
"Neue Technologien zur Öffnung der Regierungsstellen für Bürger", also mehr und besseres E-Government, Breitbandversorgung für jeden Amerikaner und "Diversifizierung der Medien". Das ist eine klare Absage an kaufwütige Mogule wie Rupert Murdoch und an die laufende Welle der Medienkonzentration auf dem amerikanischen Markt.
Auch unter jenen Punkten, die für gewöhnlich die umstrittensten Vorstellungen enthalten, nämlich "Jugendschutz" und "Schutz geistigen Eigentums", ist hier völlig anderes zu lesen als etwa in der Regierungserklärung von Nicolas Sarkozy steht.
Neu: "Schutz der Privatsphäre"
Punkt drei des Obama-Katalogs lautet nämlich "Jugendschutz sichern, First Amendment [= Redefreiheit] beibehalten" und enthält keineswegs umfassende Überwachungspläne. Man setzt vielmehr bei den Eltern an, denen man die nötigen Tools und das Know-how übermitteln will, um ihre Kinder wirkungsvoll zu schützen.
Punkt vier des Technologieprogramms: "Schutz unseres Rechts auf Privatsphäre". Wörtlich: "Die offenen Informationsplattformen des 21. Jahrhunderts können Institutionen dazu verleiten, das Recht auf Privatsphäre der Bürger zu verletzen. Präsident Barack Obama wird das Recht auf Privatsphäre stärken und technologisches Potenzial dafür benützen, um Regierungsstellen wie Wirtschaft für Verletzungen der Privatsphäre der Bürger in die Pflicht zu nehmen."
Neu: "Geistiges Eigentum"
Angesichts der bisher gewohnten Praxis in den USA ist das schon ziemlich bemerkenswert.
Zum Punkt geistiges Eigentum: Der ist wesentlich weiter unten im Programm angesiedelt, enthält aber ganz Ungewohntes: "Barack Obama glaubt daran, dass wir unsere Copyright- und Patentsysteme auf den neuesten Stand bringen und reformieren müssen" heißt es da, "um den Dialog der Bürger, Innovation und Investitionen zu fördern". Dabei solle "sichergestellt werden, dass Inhaber von Urheberrechten fair behandelt werden".
"Reform des Patentsystems"
Das sind zweifellos ganz neue Formulierungen, ebenso wie im nächsten Punkt weiter unten: Reform des Patentsystems.
Da heißt es: Um "verschwenderisch teure Prozesse, die momentan den Fortschritt signfikant hemmen, zu vermeiden", gelte es, dem Patentamt die erforderlichen Ressourcen zu geben, um die Patentanträge qualitativ besser zu prüfen. Desgleichen sei die "Einsicht von Bürgern zu gewährleisten, um die Unsicherheit" zu beseitigen.
Das deckt sich ziemlich genau mit den Argumenten, die im Parlament der Europäischen Union anno 2006 den Ausschlag gegeben hatten, Trivial- und Software-Patente mit großer Mehrheit abzuschmettern.
"Kontrolle im Google-Stil"
Ganz unten steht in der "Voting Record": Senator Barack Obama und Senator Tom Coburn [Republikaner Oklahoma] haben sich federführend zusammengetan, um ein Gesetz zu verabschieden, das eine Suchmaschine im Google-Stil vorsieht.
Damit solle "einfachen Amerikanern ermöglicht werden, Regierungsausgaben aller Art, Verträge und Schulden online zu kontrollieren".
(futurezone | Erich Moechel)