30.06.2000

WWWICKEL

Bildquelle: fuzo

Turbulenzen im Online-Buchhandel

Mit 1. Juli fällt die grenzüberschreitende Preisbindung bei Büchern, die in Österreich und Deutschland durch jeweils nationale Preisbindungssysteme abgelöst werden.

Welche Änderungen und Auswirkungen das auf die Buchbranche haben wird, wagt derzeit niemand vorauszusagen. Es ist aber absehbar, dass sich die beteiligten Parteien vor den Gerichten in Österreich und Deutschland und bei der EU- Wettbewerbskommission heftige Auseinandersetzungen liefern werden.

Libro drängt nach Deutschland

Libro wird sich bei seiner Internet-Buchoffensive allerdings nicht auf Österreich beschränken, sondern die Gelegenheit wahrnehmen, um massiv auf den deutschen Markt zu drängen. Gleichzeitig mit dem Ende der alten Buchpreisbindung wird Lion.cc morgen ein eigenes Deutschlandportal starten, über das "Romane wie Sachbücher" zu günstigeren Preisen angeboten werden sollen.

Dazu werde eine bundesweite Werbekampagne in Zeitungen und Fernsehen gestartet, kündigte eine Sprecherin des Unternehmens heute in Berlin an. Das Angebot werde sich allerdings auf "Laien-Bestseller" beschränken, Rabatte auf aktuelle Werke aus Belletristik-Listen seien zunächst nicht geplant.

Libro befindet sich damit auf Konfrontationskurs: Erst gestern Abend hat der deutsche Bundestag einem Gesetz zugestimmt, das in Deutschland weiter feste Preise für Bücher vorschreibt. Bereits zuvor hatte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels massive rechtliche Schritte gegen Libros Internet-"Preisoffensive" angekündigt.

Libro reagiert "gelassen" und beruft sich auf geltendes EU-Recht. Gegen bereits angedrohte Lieferstopps deutscher Verlage will sich der Verlag "im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten" zur Wehr setzen.

Libro kooperiert mit WAZ-Gruppe

Libro hat indessen eine weitere Weichenstellung vorgenommen, die helfen soll, die geplante Deutschland-Expansion des Unternehmens und die Entwicklung der Libro-Internettochter Lion.cc stärker zu beschleunigen.

Heute hat die Libro AG bekannt gegeben, dass man sich prinzipiell mit dem deutschen Medienkonzern WAZ-Gruppe [Westdeutsche Allgemeine Zeitung] über eine strategische Kooperation im Internet-Bereich geeinigt habe.

Kleiner virtueller Grenzverkehr

Nach dem Fall der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung am 1. Juli dürfte allerdings nicht nur Libro die Situation zu seinen Gunsten interpretieren, sondern auch deutsche Online-Buchhändler verstärkt Kunden in Österreich mit günstigen Angeboten locken.

Auch wenn mit einem Preisnachlass auf keinen Fall geworben werden darf und auch wenn die Bücher nicht um einen verminderten Betrag ausgepreist werden dürfen, dürften die Buchhändler sich sehr schnell gezwungen sehen, ihren Kunden ebenfalls die fünf Prozent Rabatt einzuräumen, wenn sie diese auch wieder sehen wollen.