09.09.1999

VIRTUAL ACTOR

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Marlene Dietrich als digitaler Klon

Was verbindet den Hollywood-Schriftzug am Mount Lee im Griffith Park und die deutsche Schauspielerin Marlene Dietrich? Beide sind legendär, beide sind seit Ende der 20er Jahre "Trademarks" der amerikanischen Filmindustrie. Und für beide hat die vor zwei Jahren gegründete "Entertainment Licensing"-Firma "Global Icons" die Lizenz erworben, sie kommerziell auszuschlachten.

Wer also das Hollywoodzeichen auf einer Kaffeetasse oder in einem Werbespot platziert, muss dafür bezahlen, und zwar an "Global Icons". Auch die Karriere der 1992 verstorbenen Marlene Dietrich liegt bereits in den Händen der aufstrebenden kalifornischen Licensing-Firma.

Top-Agent für tote Stars

Der Film "Forrest Gump" inspirierte den Firmenchef Jeffrey Lotman dazu, in die digitale Wiedergeburt verstorbener Berühmtheiten zu investieren, beschreibt ein Artikel des Los Angeles Business Journals den Wechsel des Unternehmers von der Nahrungsmittelindustrie zur Computernanimation. In einer Szene schüttelt der Filmheld Forrest Gump im Weißen Haus die Hand von John F. Kennedy. Für die Montage wurde ein historischer Filmausschnitt verwendet. "Es wäre doch cool, wenn es eine digitale Version des Präsidenten gäbe, die man alles sagen und tun lassen kann", so ein Zitat von Jeffrey Lotman. Dass die Reanimation von Legenden und Celebrities eine zukunftsträchtige Goldgrube ist, davon ist der Erbe eines viele Milliarden schweren Lebensmittelkonzerns seither überzeugt.

Firmeninhaber Jeffrey Lotmann plant bereits die Vorgeschichte zu "Casablanca" mit "digital marlene" als Femme fatale zu produzieren. Um die Rechte für den virtuellen Charakter Humphrey Bogarts bemüht er sich bereits, verrät der Top-Agent für tote Stars der Los Angeles Times. Doch bis der digitale Klon mit einem "Schau mir in die Augen, Kleines" das Kinopublikum beschwört, wird noch eine Weile vergehen. Das Treatment liegt angeblich bereits vor.

Wie ein digitaler Star geboren wird

Die digitale Wiedergeburt der Diva wird in der eigenen Computeranimationsfirma "Virtual Celebrity Productions" realisiert. Die Lizenz dazu hat die Firma von Marlene Dietrichs Verwandten erworben. Enkelsohn Peter Riva erwartet innerhalb der nächsten zehn Jahre ihr Comeback als 3-D-Modell auf der Kinoleinwand, schreibt die Los Angeles Times. Sein Debüt feierte der unsterbliche Fimstar bereits Anfang August bei der SIGGRAPH in Los Angeles.

Das Modulieren eines digitalen Gesichts stellt an die Animationskünstler die größte Herausforderung. Das Zucken der Mundwinkel, der Augenaufschlag, das Rümpfen der Nase oder die kleinen Lachfalten erfordern höchste Präzision, erklärt Thomas Fromherz. Der Schweizer arbeitet seit etwa einem Jahr für die Forschungsabteilung von "Virtual Celebrity Productions". "Digital Marlene" wurde noch mit traditionellem Motion Capture animiert, so Thomas Fromherz. Als besonders schwierig gilt die Animation von Haaren. Ein Problem, das die artifizielle Dietrich elegant unter ihrem Hut verbirgt.

Traditionelles Motion Capture

Auf das Gesicht eines Imitators werden reflektierende Punkte geklebt. Auf diese Weise werden die Bewegungen der Lippen, der Backen, des Kinns und der Augenbrauen aufgezeichnet. Für jeden Punkt im Gesicht gibt es ein Pendant, einen so genannten Kontrollpunkt im 3D-Gitternetzmodell. Das Animationsmodell wird vorher in Programmen wie Softimage oder Maya erstellt.

Die Daten aus dem Motion Capture, die auf das 3D-Modell übertragen werden, sind allerdings oft zu ungenau, um das sensible Mienenspiel eines Gesichts glaubwürdig zu simulieren, so Thomas Fromherz.

Digital Cloning System

Die Forschungsabteilung von "Virtual Celebrity Productions" bastelt bereits an der Verbesserung des Gesichtstrackings und hat erste Erfolge zu verzeichnen. Eine ganz neue 3D-Rekonstruktionssoftware ermöglicht es, dass die Animation des 3D-Gitternetzmodells aus einem 2D-Video errechnet wird, berichtet Thomas Fromherz. Der Vorteil ist, dass keine Marker ins Gesicht geklebt werden müssen.

"Die Trackingsoftware kann ohne Marker auf dem Gesicht direkt Punkte verfolgen. Sollte sich später herausstellen, dass wir noch mehr Marker brauchen, müssen wir nicht die ganze Session wiederholen. Wir können den neuen Punkt tracken und bekommen somit die 3D-Daten", erklärt der Computeranimationsexperte.

Software liest von den Lippen

Eine weitere Applikation aus dem Hause "Virtual Celebrity Productions" sind stimmgetriebene Animationen.

Visuelle E-Mails

In Zukunft könnten Mails beim Empfänger als Animation ankommen. Dazu muss der Empfänger ein 3D-Passbild haben und auf die persönliche Phonem-Datenbank des Absenders zugreifen. Aus den übermittelten Anweisungen rekonstruiert der Computer die Message, sowohl akustisch als auch visuell. "Ich muß dann also nur mehr sagen: Spiel mir zuerst Phonem A, dann B, dann Ö nacheinander, und diese Anweisungen werden dann auf der Empfängerseite wieder direkt zusammengesetzt", erklärt Thomas Fromherz.

Die verschickte Datenmenge sei kleiner als die einer Videosequenz und benötige keine große Bandbreite.