Gelähmte schreiben mit Hirnströmen
Am Haarwirbel klebt das wichtigste Kabel. Es sendet die Schwankungen der Hirnströme von Hans-Peter Salzmann an den Computer. Sieben weitere Elektroden gehen vom Kopf des 44-jährigen Gelähmten ab.
Seine Augen fixieren einen Ball auf dem Monitor. Denkt Salzmann an Ruhe, fällt der Ball nach unten; denkt er an Hektik, fliegt er nach oben. So wählt er seit einem Jahr auch Buchstaben aus - und wurde zum wohl ersten Mann der Welt, der ganz ohne Muskelkraft schreibt.
Forscher der Tübinger Universität haben dies mit der bisher einmaligen "Gedanken-Übersetzungsmaschine" möglich gemacht.
Eingesperrt im eigenen Körper
Professor Niels Birbaumer und sein Team vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurologie arbeiten mit Patienten, die an der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) leiden - eine Nervenkrankheit, die auch der britische Astro-Physiker Stephen Hawking hat und die vor allem durch ihn bekannt wurde. Bei den Patienten sterben die Nervenzellen ab, die zwischen Gehirn und Muskeln vermitteln. Im fortgeschrittenen Stadium klopft nur noch das Herz, und die Verdauung funktioniert. "Die Fähigkeit zu kommunizieren erhält den Lebensmut dieser Patienten. Wenn sie das nicht mehr können, ist es aus", sagt Birbaumer.
Schon nach einer Woche könne ein Mensch bis zu 80 Prozent der niederen Frequenzen seiner Hirnströme kontrollieren, erklärt Birbaumer.
Einfache Aufgaben, wie durch Hirnströme Licht ein- und auszuschalten, fänden die Patienten bald langweilig. Zurzeit haben es drei Patienten in Stuttgart, Tübingen und Mannheim geschafft, mit der Software Briefe zu schreiben.
Noch kosten die Geräte etwa 140.000 Schilling. Das Schreibprogramm war bereits international vom britischen Fachmagazin Nature vorgestellt worden. Derzeit tüftelt das Team daran, dass die Patienten bald im Internet surfen können.