11.10.1999

TED NELSON

Bildquelle: byte

Mister Hypertext ist zornig

Ted Nelson ist zornig - weil er die Wahrheit kennt, die Wahrheit immer schon gekannt hat und andere diese Wahrheit nie anerkannt haben.

Ted Nelson wird als Vater des Hypertext angesehen, was er nicht so gerne hört. Denn mit den Realitäten des WWW von heute will er nichts zu tun haben. Schuld daran seien Techniker, die seine Visionen nie verstanden haben: das Medium über den Medien.Der Text über den Texten. Hypermedia und Hypertext. Wörter, die er in den 60ern erdacht hatte. Texte entstehen aus Texten, Medien verweben sich zu anderen Medien. Ein unsichtbares Netz von Ideen, Wörtern und Darstellungen.

An und für sich nichts Neues - von der Idee her. Der Talmud stellt sich als Text aus Texten dar. Auch die Literatur beschäftigte sich immer schon mit ihrer eigenen vernetzten Struktur. So schrieb der argentinische Autor Borges immer schon über das Buch ohne Anfang und Ende, über das Labyrinth der kollektiven Gedankenwelt.

1965 entstand dann das Wort Hypertext. Nelson träumte weiter. Mit dem Projekt Xanadu sollte die Idee vom Hypertext verwirklicht werden.

Gegen die Tatsache, dass Xanadu der Vorläufer des WWW war, wehrt sich Nelson vehement. Xanadu hätte mehr sein sollen als weltweit lose zusammengehängte Webpages.

Xanadu war ein System ohne ausgeprägte Struktur und erst recht ohne Oberfläche. Nicht sein Konzept, sondern das WWW der Techniker wurde Wirklichkeit, wie Nelson böse anmerkt. Und überhaupt ist alles ganz anders verlaufen, als er es sich vorgestellt hat.

Schuld sind Steve Jobs & Co

Nelson dachte an die demokratischen Möglichkeiten der Medienmaschine Computer. Leute wie Steve Jobs machten seiner Meinung nach genau das Gegenteil: "In der Microcomputerwelt war der Macintosh ein Handel mit dem Teufel. Sie haben all die Kreativen getäuscht. Für die Grafiker war es ein wundervolles Ding, weil sie vorher nie Computer benutzt haben. Aber sie haben keine Ahnung, was ihnen dafür weggenommen wurde."

"Man könnte es damit Vergleichen: Sie geben uns MTV und nehmen uns dafür das Wahlrecht.

Sie haben uns Fonts gegeben, dafür haben sie uns das Recht auf Programmierung genommen. Mit einem Apple2 oder einem frühen IBM-PC konntest Du sowohl ein Programm schreiben als auch Grafiken produzieren. Auch als Anfänger konntest du mit Basic schon viel machen."

"Das System des Bösen, das Steve Jobs am Macintosh erschaffen hat, war der zertifizierte Developer. Du zahlst viel Geld, um einige der Geheimnisse zu bekommen, aber nur einige der Geheimnisse. In kleinen Dosen. Sie liebten das, wie ein Hund der sich über kleine Fleischstückchen freut. Das ist furchtbar. Deswegen hat Linux in der ganzen Geschichte bei weitem die bessere Moral."

"Eine profunde Einsicht kann aus der langwierigen Xanadu-Geschichte gewonnen werden: Die besten Resultate erzielt man, wenn die Ambitionen eingeschränkt und nur Micro-Standards entworfen werden, denn daraus können neue Anwendungen und Konzepte entstehen. So ist das Web und seine Infrastruktur, das Internet, zu dem geworden, was es heute ist."

Wer Ted Nelson auf der Konferenz Scope und in m@trix versäumt hat, kann am 18. Oktober seinen Vortrag nochmals miterleben. In einer (nichtprofessionellen) Videoaufzeichnung, wie das OeFAI in seiner Aussendung betont. Es gibt dazu zwei Termine: Mo, 11. Oktober ab 18.00 Uhr werden die Vorträge von Neil Gershenfeld, Celia Pearce und Bill Buxton gespielt.

Am 18. 10. um 18.00 Uhr dann Ted Nelson, Matthew Chalmers und Michael Freedman.