[K]ein Sexfilter für das Internet
Das von der Europäischen Union finanzierte Projekt INCORE, das eigenen Angaben zufolge "Kinder vor Internet-Inhalten schützen soll, die schädlich für sie sein könnten", wurde vom Ersteller-Konsortium zur allgemeinen Beurteilung freigegeben.
Ein Zitat aus der weit gespannten Kategorie Sex veranschaulicht, dass die Probleme im umfassenden Anspruch des Rating-Systems liegen: "Der Inhalt kann aus Menschen oder menschenähnlichen Wesen, Sexualverbrechen, eindeutigen oder nicht eindeutigen sexuellen Handlungen, sexuellen Berührungen, Küssen und der Porträtierung einer Romanze bestehen."
"Offenherzige Bekleidung" indiziert
Auf einem WWW-Formular wird keineswegs nur nach dem Grad der
Zustimmung oder Ablehnung gefragt, ob Pornografie als
jugendgefährdend einzustufen sei, sondern auch Kategorien wie
"offenherzige Bekleidung", "verschiedene Stadien der Entkleidung",
"Kraftausdrücke und sonstige Inhalte, die schädlich für Kinder sein
könnten" stehen zur Debatte. Auf diese Kategorien der Bewertung
wiederum setzen Filterprogramme wie Cyberpatrol auf [siehe Links
unten], die diese Inhalte dann je nach Einstellung blockieren.
"Leidenschaftliche Küsse" indiziert
"Ebenso wie bei RSACi und SafeSurf", heißt es weiter auf der Umfragesite, "sind wir der Meinung, dass ein Beurteilungssystem das Potenzial haben sollte, einzelne Seiten, einen Seitenzweig oder die gesamte Webseite zu beurteilen."
Das US-System RSACi stellt bereits "leidenschaftliche Küsse" als eine mögliche Kategorie der Jugendgefährdung dar, ebenso eigene Fluchkategorien ["Profanität"].
Das amerikanische RSACi-Rating-SystemRubens, Schiele mit Gefährdungsstufe vier
Nachgerade puritanisch verfährt Safe Surf, wo in neunstufig ansteigenden Kategorien auch "subtile und versteckte Andeutungen" [Stufe 1] filterwürdig aufscheinen. Sexualität wird säuberlich in "Homosexual Themes" und "Heterosexual Themes" geteilt.
"Klassische Kunstwerke in öffentlichen Museen mit Zugang für Jugendliche" und "medizinische Information" sind gar als Gefährdungsstufe vier klassifiziert.
Safe SurfZensur "auf kaltem Wege"
Genau dies hat Bürgerrechtsgruppen rund um die Welt auf den Plan
gerufen, die das Projekt gegen "schädliche Inhalte im Internet"
selbst für schädlich halten. Eine zum "Bertelsmann Internet Content
Summit" Anfang September erschienene gemeinsame Erklärung von
zwanzig Bürgerrechtsorganisationen [USA, CA, IT, DE, UK, ES, FR, NL,
AT] warnt davor, dass sich nach dem Vorbild Australiens auch andere
westliche Demokratien dieses Instruments bedienen könnten, um Zensur
"auf kaltem Wege" einzuführen.
"Reine Geldvernichtung"
Der Begriff "reine Geldvernichtung" ist von maßgeblichen Experten, die nicht genannt werden wollen, aus der INCORE-Gruppe selbst zu hören.
Das Filtervorhaben sei bestenfalls eine nette Beschäftigungspolitik, aber de facto sei das Projekt PICS der INCORE Gruppe [Platform for Internet Content Selection] bereits tot.
Platform for Internet Content Selection