Jahr-2000-Goldrausch ist vorbei
Milliarden haben die Unternehmen in die Behebung des Jahr-2000-Problems gesteckt und der Computer- und Softwarebranche einen enormen Konjunkturschub beschert. Doch je näher das Datum rückt, desto mehr verfliegt der Goldrausch. Die Umsätze der Hersteller von Großcomputern und der Anbieter von komplexer Unternehmenssoftware wie IBM oder SAP bröckeln.
Viele Kunden warten das kritische Datum ab und verschieben Investitionen in das neue Jahr. Statt dem alljährlichen Dezemberfieber, in dem die letzten Finanztöpfe geleert werden, wird die Branche von einem Dezember-Kater heimgesucht.
Historischer Einbruch bei IBM
Großunternehmen, Banken und Investmentfirmen haben offensichtlich Neukäufe von Großcomputern und Software bis auf betriebsnotwendige Investitionen eingestellt. Davon sind vor allem Anbieter von Großrechnern, Speichern, Druckern und Software betroffen. Einer der Hauptleidtragenden ist IBM, deren Aktie nach einer Gewinnwarnung für das vierte Quartal den stärksten Einbruch seit 1987 verzeichnete.
Andere Computer- und Computer-Dienstleistungsfirmen wie Unisys, Xerox, NCR und Lexmark haben nach Darstellung des "Wall Street Journal" auf die Zurückhaltung der Käufer wegen des Jahr-2000-Problems verwiesen.
Auch die Anbieter komplexer Unternehmenssoftware spüren die Zurückhaltung: "Bis auf wenige Ausnahmen sind alle betroffen", sagt Analyst Peter-Thilo Hasler von der HypoVereinsbank in München. "Die Sechsmonatszahlen waren meist noch gut, die Neunmonatszahlen dagegen bis auf wenige Ausnahmen schlecht".
SAP schwach
Branchenführer SAP musste einen Gewinnrückgang um 24 Prozent im dritten Quartal bekannt geben. Bei J.D. Edwards, nach eigenen Angaben weltweit Dritter im Markt für Unternehmenssoftware, wirkt sich die Nachfrageschwäche ebenfalls aus: "Die Lust, ein neues Projekt anzufangen, war in diesem Jahr recht gering", sagte Sprecher Stephan Vanberg.
Sun unempfindlich
Dagegen spürt beispielsweise Sun Microsystems als Anbieter von Server-Computern bisher überhaupt nichts von einem Absatzschwund und geht auch für das Schlussquartal von hohen Zuwachsraten aus. Vor allem Internet-Firmen, deren Bedarf an Rechner- und Speicherkapazität weiterhin rasant ansteigt, halten sich nicht mit Käufen von Netzwerkcomputern zurück.
Für die Zurückhaltung nennen Beobachter zwei Gründe: "Viele Unternehmen haben ihre Systeme Jahr-2000-fest gemacht und wollen diesen Zustand unverändert in das neue Jahr retten", sagt Hasler. Andererseits ist es für Nachzügler zu spät für Nachbesserungen. Sie sitzen das Problem aus und beheben dann die Schäden. Für die Branche sind damit hohe Erwartungen für das kommende Jahr verbunden.
Dell, Intel zuversichtlich
"Die Wachstumsdelle ist nur eine Übergangsphase", sagte SAP-Chef Plattner. Dell-Sprecher Nerses Chopurian erwartet "vor allem im ersten Quartal wieder einen deutlichen Anstieg in der Nachfrage". Auch Intel rechnet nach Worten von Vice President Patrick Gelsinger mit Umsatzsteigerungen im ersten Quartal. Dagegen sagt Analyst Halser: "Die Nachfrageschwäche wird noch bis in das zweite Quartal hinein andauern."
Microsoft hochtourig
Privatleute und kleinere Gewerbetreibende scheuen Investitionen offensichtlich weniger. Bei Personal Computern läuft das Geschäft auf Hochtouren, die Branche geht von einem guten Weihnachtsgeschäft aus.
Der weltgrößte Softwarekonzern Microsoft, der den Löwenanteil seines Geschäfts mit PC-Betriebssystemen und -Anwendungssoftware macht, spürt keine Auswirkungen des Jahr-2000-Problems. Im Gegenteil: Microsoft erwartet ein ausgezeichnetes Schlussquartal 1999.