07.11.1999

ANALYSE

Bildquelle: ms/waldt

Szenarien für Microsofts Zukunft

Ein sehr wahrscheinliches Szenario für die nächsten Jahre nach der Tatsachenfeststellung dürfte eine Weiterführung des Prozesses durch alle Instanzen sein.

Aber gerade in den USA spielen neben den juristischen auch andere Faktoren eine große Rolle, wie die vielschichtige Entwicklung in den Verfahren gegen die Tabakindustrie zeigt.

Eine ebenso wahrscheinliche Variante ist, das Microsoft nun in einen Vergleich einwilligen könnte. Darüber wurde hinter den Kulissen des Prozesses wenigstens seit März verhandelt, bis dato freilich ergebnislos.

Teilen und Zerschlagen

Die meisten Analysten erwarten zwar keine Anordung zur Zerschlagung von Microsoft im kommenden Urteil, aber neben dem Gericht dürften vor allem die Börsen den weiteren Verlauf des Falles entscheidend beeinflussen.

Diese könnten, wie die Reaktion des Handels nach Börsenschluss gestern schon andeutet, MS durch einen anhaltenden Kapitalabfluss zu einer Teilung veranlassen, da zwei Folgeunternehmen insgesamt sehr viel effizienter arbeiten könnten als der bestehende Konzern. Vor allem wenn dieser unter ständig kontrollierten Auflagen seine Geschäfte führen müsste und so in seiner Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt wäre.

Spaltung in eigenem Interesse

Der Kongressabgeordnete und Anti-Trust-Spezialist Tom Campbell hat sich schon vor einem Monat für den Fall, dass Microsoft den Prozess verlieren sollte, dafür ausgesprochen, den Konzern zu zerschlagen - freundlicher ausgedrückt: in mehrere Unternehmen aufzuteilen.

Campbell betonte, dass er keinesfalls dem Urteil des Prozesses vorgreifen oder dieses beeinflussen wolle, sagte aber, es sei nötig, über eventuelle Konsequenzen nachzudenken. Die Aufteilung des Konzerns in ein Software- und ein Betriebssystem-Unternehmen sei dabei sowohl für den Markt als auch für MS die beste Lösung.

Die Alternative - die Beschränkung der Aktivitäten des bestehenden Konzerns - würde sowohl zu einer Kapitalflucht als auch zu unbefriedigenden Produkten führen. Außerdem könnte sich MS durch eine Spaltung einem Teil der auferlegten Wiedergutmachungs-Strafe entziehen.

Amerikanische Anti-Trust-Tradition

Die Planspiele des Kongressabgeordneten sind keineswegs aus der Luft gegriffen. AT&T wurde praktisch in seiner gesamten Firmen-Geschichte dazu gezwungen, Märkte und Tochterfirmen aufzugeben: 1913 Western Union, 1920 den Radiomarkt und in den 70ern die Baby Bells.

AT&Ts Geschichte zeigt aber auch, dass selbst drastische Anti-Trust-Maßnahmen das Wachstum und den Einfluss eines Unternehmens nicht zwingend stoppen.

Die amerikanische Anti-Trust-Gesetzgebung wurde zu Beginn des Jahrhunderts entwickelt, um die übermächtige Stellung von Rockefellers Standard-Oil zu brechen. Das damals größte Unternehmen der Welt wurde daraufhin 1911 zerschlagen.